Das Boulevardtheater lebt ja von Problemen, die keine sind. Deshalb ist die Beziehungskrise von Joana und Valentin Dorek auch halb so schlimm: In Wirklichkeit lieben sie sich ja doch noch, trotz der Seitensprünge, der Kinder und des tristen Ehe-Alltags. Frust gehört dazu, Langeweile auch, aber die Routine ist stärker. Leider ist das in Daniel Glattauers Komödie „Die Wunderübung“ von Anfang an so augenfällig und erwartbar, dass sich die restlichen zwei Stunden doch etwas zäh dahin schleppen. An Michaela May und Michael Roll liegt das nicht: Sie geben sich redlich Mühe, beim behäbigen Therapeuten (recht harmlos: Robert Giggenbach) einigermaßen glaubwürdig herum zu streiten. Gefährlich wird das leider nie, eher kokett und betulich.
"Österreichischer Neil Simon"?
Daniel Glattauer, Jahrgang 1960, wurde schon als „österreichischer Neil Simon“ bezeichnet, aber im Vergleich zum amerikanischen Erfolgsautor fehlt der „Wunderübung“ doch eine ganze Menge: Gags, Tempo, Schärfe. Es wird nur ab und an gelacht, das Stück arbeitet sich an reichlich abgestandenen Klischees ab: Seine Geliebte heißt natürlich „Brigitte“, ist Boutiquen-Besitzerin und spricht sich französisch aus, wie die Bardot. Ihr Geliebter nennt sich „Guido“ und ist ein Softie. Irgendwelche interessanten Konflikte gibt es nicht: Herr und Frau Dorak reden halt nicht mehr miteinander, weil er spät und müde nach Hause kommt und sie im Haushalt aufgerieben wird. Das mag in den sechziger Jahren Brisanz gehabt haben – heute wirkt es einfallslos und antiquiert.
Therapie-Zirkus mit Stühlen
Dabei wäre es doch naheliegend gewesen, den Therapie-Zirkus satirisch bloß zu stellen, in den sich eitle und spaßorientierte Großstadt-Paare flüchten. Die Auswahl ist ja enorm, von der Familienaufstellung bis zur Urschrei-Therapie. Regisseur Bernd Schadewald lässt denn auch das Licht wabern, wenn der Psychologe versucht, das Körperbewusstsein seiner beiden Patienten mit bizarren Energiefeld-Experimenten zu beleben. Allein, es gab weder süffigen Slapstick noch deftige Esoterik-Satire. US-Sitcoms leben davon ja seit Jahren. Auch eine gehörige Portion Schmäh hätte der „Wunderübung“ durchaus gut getan. So war es nur ein Abend der allzu gepflegten Konversation. Frau Dorek war ungefähr so aufregend wie Mutter Beimer aus der "Lindenstraße", und an ihrem Mann war der Trenchcoat noch das Unterhaltsamste. Bühnenbildner und Theaterchef Thomas Pekny hatte eine kreisrunde Spielfläche mit jeder Menge Holzstühle entworfen, eine Beziehungskampf-Arena also. Drumherum lauter Milchglas-Paravents, wie sie aus Praxen aller Art bestens bekannt sind. Schade, dass in dieser eigentlich zeitgemäßen und witzigen Kulisse eine so zahme „Wunderübung“ vorgeführt wurde. Höflicher Applaus.
Bis 5. November täglich um 19.30 Uhr in der Komödie im Bayerischen Hof.