Der Tenor im schwarzen Mantel
Bildrechte: Damir Jusupow/Bolschoi-Theater

Yusif Eyvazov (links) am Bolschoi-Theater

    Zweierlei Maß? Netrebko-Ehemann Eyvazov singt in Moskau

    Zur Saison-Eröffnung trat der aserbaidschanische Tenor Yusif Eyvazov am Bolschoi-Theater in Tschaikowskis "Pique Dame" auf. Russische Medien wundern sich, dass der Sänger im Westen "überraschender Weise" weniger streng beurteilt wird als seine Frau.

    Auf der offiziellen Seite von Yusif Eyvazov (45) findet sich bezeichnender Weise kein Hinweis auf sein derzeitiges Engagement in Moskau. Unter den angekündigten Konzerten ist ein gemeinsamer Auftritt mit Ehefrau Anna Netrebko im Kulturzentrum von Tel Aviv am 1. Oktober der nächste Termin, Ende Oktober folgen Aufführungen in Verdis "Aida" am Teatro Real in Madrid. Doch derzeit steht Eyvazov im Moskauer Bolschoi-Theater als Hermann in Tschaikowskis "Pique Dame" auf der Bühne. Das wundert russische Medien nicht wenig, wäre es doch angesichts des Kriegs in der Ukraine undenkbar, dass Star-Sopranistin Anna Netrebko in Moskau auftritt, ohne gleichzeitig im Westen noch mehr Reputation zu verlieren.

    "Kein Kontakt mehr zu seinen Fans"

    "Überraschender Weise trafen die repressiven Maßnahmen ihren Ehemann Yusif Eyvazov praktisch nicht", heißt es denn auch im russischen Society-Portal "Telegramma". Andere Moskauer Medien hielten die Auftritte immerhin für "erwähnenswert" und titelten, die Familie sei wohl "gespalten" und der Sänger unterstütze die "Strategie" seiner Frau mit seinen Auftritten in Moskau jedenfalls nicht. Für den 8. Dezember ist ein Solokonzert in der russischen Hauptstadt angekündigt, auch das wird auf Eyvazovs Homepage nicht erwähnt. Schon werden Parallelen gezogen zum Promi-Paar Alla Pugatschowa und ihrem Ehemann Maxim Galkin. Die seit ihren gemeinsamen Auftritten mit Udo Lindenberg auch im Westen prominente Rocksängerin kehrte kürzlich nach einem sechsmonatigen Auslandsaufenthalt nach Moskau zurück, ihr Mann, ein bekannter TV-Moderator und Entertainer, blieb im Ausland.

    Bildrechte: Vyacheslav Prokofjew/Picture Alliance

    Saison-Eröffnung: Bolschoi-Chef Wladimir Urin empfängt Mitwirkende

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    "Interessanter Weise hat Eyvazov seit einer Woche keinen Kontakt mehr zu seinen Fans im Sozialen Netzwerk", schreibt ein russisches Portal: "Er erwähnte dort auch nicht seine Absicht, in Moskau zu singen." Demnach legte Eyvazov im Vorfeld seiner Auftritte keinen großen Wert auf Publicity. Auf eine BR-Anfrage äußerte sich Eyvazovs Presseteam zunächst nicht, das Bolschoi-Theater bestätigte dem BR allerdings, dass Eyvazov auftrat. Es gab also nicht etwa eine kurzfristige Umbesetzung.

    Der Tenor und als "Volkskünstler Aserbaidschans" ausgezeichnete Sänger ist dem Haus seit langem verbunden, er debütierte dort 2010 als Cavaradossi in Puccinis "Tosca" und war auch in Verdis "Don Carlo" zu sehen.

    Bei der 247. Saisoneröffnung bedankte sich das Bolschoi-Theater übrigens Presseberichten zufolge bei all denen, die "durch verschiedene Umstände derzeit nicht anwesend sind, denen das Haus aber für ihren künstlerischen Beitrag dankbar ist". Der "Wind der Veränderung" sei mit Hoffnungen verbunden.

    "Applaus brandet nicht sofort auf"

    Anna Netrebko sieht sich derweil bei allen Auftritten mit Demonstranten konfrontiert, die sie wegen ihrer einstigen Nähe zu Putins Regime kritisieren. Sowohl vor der Philharmonie in Köln, als auch in der Elbphilharmonie gab es Proteste: "Netrebko, go home!". In Hamburg blieb nach einem Bericht des NDR "jeder vierte Platz leer" und die Stimmung soll eher gedrückt gewesen sein: "Auch der Applaus brandet nicht sofort auf. Man hat das Gefühl, Publikum und Diva müssen sich erst wieder aneinander gewöhnen." Selbst als sie kürzlich in der Wiener Staatsoper als Mimi in Puccinis "La Bohème" zu sehen war, mischten sich in den Jubel ein paar Buhrufer, und unweit des Hauses hatten sich Gegner versammelt.