Die Norwegerin Åsne Seierstad hat schon einige Bücher auf Deutsch veröffentlicht: „Der Engel von Grosny“ beispielsweise, ein Buch über die Kinder im Tschetschenien-Krieg. Åsne Seierstad war im Tschetschenien- und Jugoslawien-Krieg ebenso als Reporterin unterwegs wie im Irak und in Afghanistan. Im vergangenen Jahr erst brachte sie auf Deutsch ihr erhellendes und packendes Buch über Anders Behring Breivik heraus "Einer von uns": Eine minutiöse Rekonstruktion seines Lebens und seiner Morde auf Utøya und in Oslo 2011.
Zwei Schwestern ziehen in den Kampf für den Islamischen Staat
Für ihr neues Buch ist die 47-jährige in ihrer Heimat Norwegen bereits preisgekrönt worden. Es heißt "Zwei Schwestern. Im Bann des Dschihad". Darin erzählt die Kriegsreporterin von den Schwestern Ayan und Leila Juma, die als Kinder zusammen mit ihren Eltern dem somalischen Bürgerkrieg nach Norwegen entflohen sind. Im Alter von 16 und 19 Jahren entscheiden sie sich, für den Islamischen Staat in den Krieg zu ziehen und gehen nach Syrien. Sie verlassen ihr Elternhaus und tauschen ihr sicheres Leben ein gegen ein Leben im Kampf.
"Ich bin überzeugt davon, dass ihr Weggang existentielle Gründe hatte. Ist das nicht eine - sicherlich extreme - Form der Sinn- und Identitätssuche, wie sie für Teenager typisch ist? Natürlich zieht der durchschnittliche Teenager dafür nicht in den Krieg oder beschließt für Allah zu sterben. Aber als Migrant aus Somalia gehört man in Norwegen einer Minderheit an, und stellt mehr als andere Gleichaltrige in Frage. In den Debatten über Integration und Religion muss man seine Glaubensrichtung, den Islam, verteidigen. Gerade als Teenager ist man auf der Suche nach seinem Platz in der Gesellschaft, und in ihrem Fall war es ein langer Weg bis zur Entscheidung, sich dem Islamischen Staat anzuschließen." Åsne Seierstad
Verbindung zwischen den Ideologien
Sieht die Autorin, die sich ja auch intensiv mit dem rechtsradikalen Massenmörder Anders Behring Breivik befasst hat, eine Verbindung zwischen seinem militanten, tödlichen Hass und dem Islamismus? In Hinblick auf die Ideologie ja, sagt Åsne Seierstad: "Der eine, Anders Behring Breivik, ist ein Rechtsextremer, ein Faschist, und die beiden anderen, Ayan und Leila Juma, sind offenkundig Islamfaschisten." Beide Positionen teilten die Wahnidee, eine Gesellschaft von missliebigen Elementen zu reinigen. Mit "Zwei Schwestern" hat Seierstad eine großartige literarische Reportage geschrieben.