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Zur Sache Schätzchen

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"Zur Sache, Schätzchen" - Premiere heute vor 50 Jahren

1967 drehte May Spils in Schwabing die Komödie mit Uschi Glas, die sechs Millionen Zuschauer ins Kino lockte. Die Dialoge machen den Reiz des schwarzweißen Films aus: Sprüche, Wortspiele, Wortschöpfungen und ironische Wendungen. Von Kirsten Martins

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Was lief denn damals in den deutschen Kinos? Wahrhaft aufrüttelnde Erotikklamotten wie "Die Wirtin von der Lahn", und "Jungfrau aus Zweiter Hand", auch das New American Cinema mit "Bonnie und Clyde", und "Die Reifeprüfung". Im Aufklärungsfilm "Helga" fielen bei der Geburtsszene so viele Zuschauer in Ohnmacht, dass das Deutsche Rote Kreuz bei den Vorführungen anwesend sein musste. Und ein paar Jahre nach dem Oberhausener Manifest, das ein zeitgemäßes Kino forderte, zeigte Alexander Kluge seinen ersten Spielfilm "Abschied von Gestern". Volker Schlöndorff ließ sich für "Mord und Totschlag" vom amerikanischen Gangsterfilm inspirieren. Der junge deutsche Film jener Zeit war ernst, kopflastig und prätentiös.

Lässig und frech statt ernst und kopflastig

"Zur Sache Schätzchen" war anders. Die damals 26 Jahre alte May Spils und ihr Hauptdarsteller Werner Enke gehörten zur Münchner Gruppe um Klaus Lemke und Rudolf Thome, die lässige, antiautoritäre Filme drehten, die auf der Strasse spielten, schnelle Autos und rätselhafte Frauen zeigten und von der Nouvelle Vague beeinflusst waren.

In weißer Schiesser-Unterhose und gestreiftem Hemd liegt der 25-jährige Martin auch nachmittags noch im Bett, unordentlich ist sein Zimmer, auf dem Tisch steht eine Schreibmaschine, Papier ist nicht zu sehen. Martin interessieren weder Konventionen, noch Arbeitserfolg, Geld oder Politik. Er verweigert die Normen der bundesdeutschen Leistungsgesellschaft, des Aufbaus, des "Schaffe, schaffe, Häusle baue" - er macht sich über alles und alle lustig und wurstelt sich mit Gelegenheitsjobs durchs Leben. Eigentlich würde der sanftmütige Nichtstuer am liebsten im Bett bleiben, doch dann sieht man ihn in den nächsten Szenen durch München flanieren, laufen und fahren.

Im Freibad lernt Martin die bürgerlich naive Barbara kennen - gespielt von Uschi Glas. Mit der Schwarzgelockten braust er in ihrem weißen Cabriolet durch München, verbrennt eine Cordhose und entführt mit einem Kinderwagen eine Ziege aus dem Zoo. Martin wird verfolgt, verhaftet und kann aus der Polizeistation fliehen, dank Barbaras scheuem Körpereinsatz im Korsett. Danach liegt der in der Liebe täppische Pseudophilosoph wie ein Kind gemütlich im Halbdunkel an der handtuchumwickelten Brust von Barbara.

Nicht die episodische Geschichte, sondern die Dialoge machen den Reiz des schwarzweißen Films aus: Sprüche, Wortspiele, Wortschöpfungen und ironische Wendungen. May Spils drehte im Sommer 1967 in Schwabing und zeigt ein kleinstädtisches München: Kinder in Lederhosen, Männer unter dunklen Hüten, an grau verputzten Hauswänden hängen Emaille-Werbeschilder, Passanten schauen erstaunt in die Kamera und auf Parkbänken schwatzen Hausfrauen mit Kopftuch. Tatsächlich rebellierten im Juli 1967 Tausende von Münchner Studenten gegen den Schah-Besuch den schmutzigen Vietnamkrieg, es gab Teach- und Sit-ins und Schweigemärsche zu Ehren des in Berlin erschossenen Benno Ohnesorg.

Uschi Glas wird als Schätzchen berühmt

Zugleich gründete der 27-jährige Rainer Werner Fassbinder sein "Action Theater" in einem Münchner Hinterhof. 1967 war ein Wendejahr, in der Katholischen Akademie forderten Professoren "Mut und Wagnis zu Neuem". Einer Jugend, die den Krieg nicht mitgemacht hatte, wurde eine neue Rolle in der Gesellschaft gegeben. Martin verweigert in "Zur Sache Schätzchen" auch jedes politische Engagement, er wird niemandem gefährlich, dieser Hanswurst macht niemandem Angst. Über seine harmlos selbstironischen Blödeleien und Albernheiten kann ganz Deutschland lachen, und „Es wird böse enden“ wird zum geflügelten Wort. Martin provoziert zwar Polizisten, doch in sein Kopfkissen schlägt er mit der Handkante die Spießerdelle, in der es sich gut träumen lässt. Heute ist "Zur Sache Schätzchen" eine harmlos lässige Komödie im Vergleich zu den bösen Fassbinder Filmen die wenig später kamen. Uschi Glas wurde als Schätzchen berühmt und sie spielt es heute noch, Werner Enke und seine Lebensgefährtin May Spils zogen sich nach vier weiteren Filmen in den 1980er Jahren aus dem Filmgeschäft zurück.