Verabredung mit Freunden in irgendeiner Bar 2023: Man wird einem Bekannten vorgestellt. Und gleich ist da dieser unangenehme Moment: Wie begrüßen wir uns? Shakehands? Umarmung? Ellbogen- oder Faustgruß? Oder gar nichts davon?
Es ist schon kompliziert: Die Form der körperlichen Nähe, die wir am häufigsten erleben, sie kommt meist gleich am Anfang einer Begegnung. Das Hände-Geben. Alltägliche Geste der Höflichkeit. Juristische Formalität (ein Vertrag, der per Handschlag geschlossen wird, ist juristisch bindend). Kulturgut. Und: Kollateralschaden der Pandemie. Aufs Händeschütteln ist zur Covid-Prävention vorerst verzichtet worden. Nach einigen Jahren der Entwöhnung ist da jetzt immer noch eine Leerstelle: Wie begrüßen wir uns denn nun?
Ein Händedruck, viele Bedeutungen
So ein Händedruck ist ja sehr vielsagend. Aussagekräftiger manchmal als viele Worte. Körperspannung, Textur der Haut: Wie fühlt sich die Hand des Gegenübers an? Ist Handschweiß ein Thema? Kommt die Person mit weit ausgestrecktem Arm auf mich zu und hält mich auf Distanz? Oder kommen wir uns näher? Nach dem Handschlag haben wir einen ersten Eindruck von dem Menschen, der uns gegenübersteht. Man ist sich nähergekommen. Ein klein wenig zumindest.
Menschliche Berührungen, mögen sie noch so alltäglich sein, sind nicht bedeutungslos für uns. Neurowissenschaftler sprechen von "affektiven Berührungen". Die kennen wir schon als Babys vom beruhigenden Streicheln unserer Eltern. Ein komplexer chemischer Cocktail wird bei Berührungen ausgeschüttet: Dopamin, Serotonin, Oxytocin. Vulgo: Glücks-Hormone. Eine kleine Dosis davon gibt’s auch beim Hand-Kontakt.
Eine Geste mit politischer Aussagekraft
Der Handschlag hat eine lange Geschichte in der westlichen Tradition: Er wird auf antiken Vasen abgebildet. In der Literatur gehen diese Gesten bis auf Homers "Ilias" zurück. Ein Handschlag signalisiert damals wie heute: Hier begegnen sich zwei Menschen in friedlicher Absicht. Oder auch nicht. Als der AfD-Politiker Björn Höcke dem Thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke) 2020 zur Wiederwahl gratuliert, verweigert dieser den Handschlag: Kein Händedruck für Demokratiefeinde.
Es gibt übrigens auch ein Händeschütteln-Emoji. Bedeutung in etwa: "Sehe ich genauso wie du". Als Symbol der Zugehörigkeit wird es gerne und viel verwendet - viel ungezwungener als sein Pendant im echten Leben.
Dürfen wir schon wieder?
Mit der Unsicherheit, was die Begrüßung angeht, sind wir in Deutschland nicht alleine. Auch in Frankreich ist man noch nicht zu "la bise" zurückgekehrt, zur ehemals allgegenwärtigen Begrüßung, bei der man, très français, links und rechts einmal die Wange des Gegenübers berührt. In der Pandemie hat der französische Staat seine Bürger dazu angehalten, auf die Wangenküsse zu verzichten. Bis heute ist man in Frankreich noch zurückhaltender, begrüßt nur noch die Familie und enge Freunde mit Küsschen. Stattdessen gibt es, gerade bei Älteren nur noch ein Kopfnicken und es heißt es jetzt oft: "Ich küsse dich jetzt nicht." Auch so eine Leerstelle.
Ist Händeschütteln passé?
Was Deutschland angeht, so ist sich die Augsburger Knigge-Expertin Susanne Erdmann sicher, dass das Händeschütteln nicht ganz verschwinden wird. Dazu ist es einfach zu sehr ritualisiert. Sie stellt aber fest, dass das Händeschütteln heute nicht mehr so alternativlos ist wie vor der Pandemie: "Wenn mir jemand nicht die Hand geben will, dann empfinde ich das nicht mehr als ablehnende Haltung, sondern merke: der ist im Moment noch zurückhaltender, es liegt ihm nicht so. Und das war vor der Pandemie definitiv nicht so. Da war das ein Affront."
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