Das Gebäude der Synagoge in Ichenhausen im Inneren.
Bildrechte: Stadt Ichenhausen

Die Synagoge in Ichenhausen wird heute konfessionsübergreifend genutzt.

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Wie die Synagoge in Ichenhausen gegen das Vergessen kämpft

Vor 80 Jahren wurden die letzten Juden aus Ichenhausen im Landkreis Günzburg deportiert. Mit der Auslöschung der jüdischen Gemeinde verfiel auch die Synagoge. Inzwischen bringt der Gedenkort vor allem jungen Menschen das Judentum näher.

Die jüdische Kultur in Deutschland ist durch den Holocaust nachhaltig zerstört worden und kehrte an viele Orte nie wieder zurück. So auch in Ichenhausen: Die dortige Synagoge blieb zwar erhalten, wurde aber beispielsweise bis in die 1980er-Jahre von der Feuerwehr genutzt. Heute will der Gedenkort die jüdische Geschichte wieder zugänglich machen – allerdings auf andere Art als im Geschichtsunterricht üblich.

Mit Bildung gegen Antisemitismus

"Antisemitismus ist immer noch latent bewusst oder unbewusst vorhanden", erklärt Michael Salbaum vom Dossenberger-Gymnasium in Günzburg. Er leitet das Projekt in der Synagoge, das vor allem ein Ziel hat: zu vermitteln, was das Judentum eigentlich ausmacht – jenseits von Klischees und der Gräueltaten der Nazi-Zeit. Auch der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sieht nur ein wirkungsvolles Rezept gegen Antisemitismus: "Bildung, Bildung, Bildung. Im Klartext: Das muss im Kleinkindesalter durchgeführt werden und in der Schule", erklärt Schuster und fügt hinzu: "Wenn jemand einmal eine gefestigte antisemitische Haltung hat, dann wird man ihn davon im Regelfall nicht mehr wegbringen."

Warum das Judentum in Ichenhausen so wichtig war

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es in Ichenhausen die zweitgrößte jüdische Gemeinde in ganz Bayern, die jüdische Kultur war fest in der Gesellschaft verankert. Heute ist die Synagoge ein Museum. Im Keller befindet sich beispielsweise noch das rituelle Tauchbad, die sogenannte Mikwe. Sie ist eine Station in dem Lernzirkel, die das Judentum rund 1.000 Schülerinnen und Schülern aus dem Landkreis Günzburg näherbringen soll. Außerdem werden jüdische Spezialitäten serviert, wie beispielsweise die Challa, das traditionelle Zopfbrot.

So funktioniert der Lernzirkel

Vermittelt werden die Informationen von Schülerinnen und Schülern selbst. Neuntklässler des Günzburger Dossenberger-Gymnasiums haben sich wochenlang mit dem Judentum auseinandergesetzt und mit der Frage, wie sie es ihren Mitschülerinnen und Mitschülern vermitteln.

25.000 Schüler haben das preisgekrönte Projekt schon durchlaufen. Auch von Josef Schuster gibt es Lob: "Mustergültig, was hier das Gymnasium macht. Ich glaube, die Viertklässler hören aufmerksamer zu, als wenn wieder der Lehrer da oben steht." Das Konzept scheint zu funktionieren, das zeigt das Fazit eines Schülers: "Ich fand es spannend, dass Juden eigentlich genauso sind wie wir, aber nur eine andere Kirche haben."

Warum das Projekt wichtig für die Zukunft ist

Wie wichtig das Projekt ist, damit das Judentum nicht in Vergessenheit gerät, hängt auch mit einer anderen Entwicklung zusammen: Die jüdischen Gemeinden schrumpfen, seit der große Zuzug der 1990er-Jahre vorbei ist, mit dem viele Menschen aus den Staaten der zerfallenden Sowjetunion kamen. "Wir haben eine Überalterung, darum wird es noch weiter zurückgehen. Von den 105 jüdischen Gemeinden in Deutschland werden in 20 Jahren nicht mehr alle existent sein", prognostiziert Schuster.

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