Klimaaktivisten der Letzten Generation begießen die Grundgesetzt-Installation des israelischen Künstlers Dani Karavan mit schwarzer Farbe.
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Klimaaktivisten kippen schwarze Farbe auf die gläserne Grundgesetz-Skulptur am Bundestag

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Wie die Kulturszene auf die "Letzte Generation" reagiert

Mit Fäkalsprache, Terrorismusvergleichen und Drohungen reagierten Politiker auf die Verschmutzung des Kunstwerks "Grundgesetz 49" durch die "Letzte Generation". Die Kulturszene verhält sich dagegen nüchterner.

Micky Beisenherz, der TV-Autor und Podcaster, nahm die Sache mit Humor. Der 45-jährige Humorist fragte am Samstagnachmittag kurze Zeit nach der Besudelung der Kunstinstallation "Grundgesetz 49" durch Aktivisten der "Letzten Generation": "Kann es sein, dass die Letzte Generation sich an diesem Wochenende selbst die letzte Ölung verpasst?"

Er ist offenkundig kein Freund der stets todernsten Aktion der Warnwesten, die das "Wortkunstwerk" des israelischen Künstlers Dani Karavan an der Berliner Spreepromenade "in 'Erdöl' getränkt" hatten.

Es war ebenso wie frühere Tomatensuppen- und Kartoffelbrei-Würfe eine Form des in-effigie-Aktivismus, dessen sich die "Letzte Generation" seit geraumer Zeit befleißigt. Eine symbolische Attacke: Man bewirft Kunst mit dem Ziel, darauf hinzuweisen, dass sich die Politik an den ihr aufgegebenen Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zu halten habe, die auf Gemälden in Form allegorischer Landschafts-Idyllen dargestellt werden. Oder deren Bewahrung – im Falle des Kunstwerks von Karavan – in Glasstelen eingravierte Grundgesetz-Artikel anmahnen.

"Klima-RAF" als Bumerang-Begriff

Die jüngste Aktion fand im politischen Betrieb maximalinvasive Erwiderungen: Von "letztem Abschaum" schrieb der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Müller-Rosentritt auf Twitter. Michael Roth, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, kritisierte die Tat als "billige, würdelose Aktion". Der SPD-Politiker erklärte, die Aktivisten zerstörten Kunst "ähnlich wie die Taliban".

Ein weiteres Mal eskalierte also die Debatte um die Aktivisten. Zuletzt waren sie mit dem Begriff "Klimaterroristen" (Unwort des Jahres 2022) namentlich von Politikern der AfD belegt worden. Von "Klima-Chaoten" hatte der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, im November vergangenen Jahres gesprochen. Im Februar dieses Jahres hatte er seine Warnung vor einer "Klima-RAF" gegenüber dem "Focus" bekräftigt: "Wer sich am Wort Klima-RAF stört, will der Realität nicht ins Auge blicken."

Vieles spricht dafür, dass es sich bei der "Klima-RAF" um einen Bumerang-Begriff handelt, der in der aktivistischen Szene als Menetekel gebildet wurde. Der "Ende Gelände"-Aktivist Tadzio Müller hatte dem "Spiegel" gegenüber am 21.11.2021 gesagt: "Wer Klimaschutz verhindert, schafft die grüne RAF". Ein Jahr später bezeichnete Tadzio Müller im "Spiegel"-Interview dies als einen Fehler.

Stehen die "Schüttbilder" Pate?

Nüchterner reagierte da die Münchner Historikerin Hedwig Richter, die twitterte, sie fände die Aktion "auf allen Ebenen konsistent":

Ob nun stimmig oder nicht: Das Video, das diesen jüngsten "Anwurf" dokumentiert, ist unterdessen 4,6 Millionen Mal geklickt worden. Aufmerksamkeitsökonomisch hat die "Letzte Generation" damit einen weiteren Erfolg zu verbuchen. Dass dieser nur um den Preis großer Empörung zu haben ist, wussten schon die Wiener Aktionisten, als sie auf ihren provokativen Happenings "Schüttbilder" kreierten: Damals waren es grellrote Farb-Spritzereien auf weiße Lein- oder Kalkwände unter Beimengung von Tier-Blut, Eingeweiden und Milch. Als Mitglieder der "Letzten Generation" Österreichs im November 2022 in der Wiener Leopoldina auf Gustav Klimts Gemälde "Tod und Leben" Öl schütteten, standen womöglich – bewusst oder unbewusst – jene Schüttbilder von Hermann Nitsch Pate. Entrüstungsstürme löste die eine wie die andere Aktion aus.

Spekulationen von Feuilletonisten

Hanno Hauenstein, Kulturredakteur der "Berliner Zeitung", äußerte auf Twitter, er sei "zwar kein Fan" dieser Aktion, aber als "jemand, der Dani Karavan bisschen kannte", könne er sagen, der "liebte es, wenn seine Werke Anlass für Interaktion boten und Erinnerung so zugänglich wird".

Damit spekulierte er, Karavan selbst, der 2021 gestorben ist, hätte die Aktion der "Letzten Generation" unter Umständen gar nicht verurteilt. Der Soziologe Nils Kumkar resümierte den vorläufigen Stand der Debatte so: "Das Öl auf dem Kunstwerk ist mittlerweile weggewischt, aber das Öl im Feuer der Empörung, das sprudelt munter nach."

Die ukrainisch-deutsche Künstlerin Marina Weisband stellt nüchtern den Klima-Protest und die Empörung dagegen in einen grundsätzlichen Zusammenhang:

Klimaaktivisten der "Letzte Generation" sitzen auf der Prinzregentenstraße in München und blockieren den Verkehr.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Lennart Preiss

Klimaaktivisten der "Letzte Generation" sitzen auf der Prinzregentenstraße in München und blockieren den Verkehr.

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