Schwarz-weiß Bild: Frauenrechtlerin protestieren mit Transparenten gegen "Deep Throat" vor einem Kino, in dem der Film gezeigt wird
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Frauenrechtlerinnen demonstrieren gegen "Deep Throat", 1972

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Wie "Deep Throat" den Porno aus der Schmuddel-Ecke holte

Ein Pornofilm, der die Massen begeisterte: Vor 50 Jahren kam in New York "Deep Throat" in die Kinos. Mit ihm wurde das Porno-Schauen aus der Schmuddel-Ecke geholt. Die Debatten um ihn wirken bis heute nach.

Juni 1972, New York, Summer of Love und der Beginn der Pornowelle, die kurz davor in den USA legalisiert wurden. "Es war der Zeitpunkt, wo Pornografie von der Unterwelt an die Oberfläche gekommen ist, wenn man so will," sagt die Kulturwissenschaftlerin und Porno-Forscherin Madita Oeming. "Pornografie wurde nicht mehr unter der Ladentheke gehandelt, sondern lief auf der Kinoleinwand. Diese Präsenz von Pornografie im öffentlichen Raum hatte einen wahnsinnigen Effekt und etwas provozierendes und aufregendes. Es hat etwas Verbotenes und gleichzeitig das Gefühl von Freiheit mit sich gebracht – ich darf das jetzt, ich darf hier ins Kino gehen und mir einen 'dirty movie' angucken, wie das immer heißt."

"Deep Throat" und weiblicher Orgasmus

Der Film, der vor 50 Jahren die Massen in die Kinos zog, war "Deep Throat". Er erzählt die Geschichte von Linda Lovelace, einer jungen und sexuell frustrierten Frau. Noch nie hatte sie einen richtigen Orgasmus, nur ein kurzes Kribbeln, mehr nicht. Linda kann nicht glauben, dass das alles sein kann: "Es sollte mehr sein als bloß ein bisschen Kribbeln: Es sollten Glocken läuten, Dämme brechen, Bomben explodieren, irgendwas halt", sagt sie im Film.

Linda Lovelace sucht sich Hilfe und findet sie bei einem Arzt namens Dr. Young. Er stellt fest, dass ihre Klitoris nicht da ist, wo sie hingehört: Lindas Klitoris sitzt nämlich tief in ihrer Kehle. Doch Dr. Young weiß Rat. Linda soll "Deep Throat" ausprobieren, das heißt einen Penis bis zum Schaft tief in ihre Kehle einführen. Dr. Young stellt sich großzügig als Proband zur Verfügung. Und endlich hat Linda einen Orgasmus: Im Film läuten Glocken, starten Raketen.

Emanzipatorisches Potential auch für Frauen

"Auch wenn sich alles um diese Praxis dreht", so Madita Oeming, "wo es am Ende um die Befriedigung eines Penisses geht, zumindest außerhalb der fiktionalen Welt des Films, sieht man in dem Film sehr viel, was man als selbstbestimmte weibliche Lust bezeichnen kann und sehr viel Freude der Protagonistin. Ich kann mir vorstellen, dass das für viele Frauen im Publikum einen augenöffnenden und potenziell emanzipatorischen Effekt hatte, das zu sehen und sehen zu dürfen."

"Deep Throat" hat der sexuellen Lust der Frau und der Klitoris einen ganzen Film gewidmet und die Hauptdarstellerin Linda Lovelace mit Anfang 20 zum Star gemacht. 600 Millionen Dollar hat er Schätzungen nach eingespielt, bis heute einer der umsatzstärksten Film aller Zeiten.

Toxische Männlichkeit abseits vom Filmset

Eine Erfolgsgeschichte, für die Linda einen hohen Preis zahlen musste: 1980 veröffentlicht sie ihre Autobiographie "Ordeal" (dt. "Tortur"). In der spricht sie erstmals öffentlich von ihrer Ehe mit dem Porno-Unternehmer Chuck Traynor. Er soll sie geschlagen, bedroht und zur Sexarbeit gezwungen haben. Sie sei nicht der Lage gewesen, sich aus dieser toxischen Beziehung zu befreien.

Die Porno-Forscherin Madita Oeming nennt Chuck Traynor den zentralen Bösewicht in der Geschichte um "Deep Throat". Mit ihm zeige sich ein grundsätzliches Problem: Man schaue häufig nicht dahin, wo es eigentlich gefährlich ist, nämlich auf das nähere Umfeld der Darstellerinnen: "Die Wahrscheinlichkeit vom eigenen Partner sexualisierte Gewalt zu erleben, bis hin zu getötet zu werden, ist wesentlich größer als die Wahrscheinlichkeit, dass einem das an einem Porno-Set widerfährt. Trotzdem ist die öffentliche Diskussion da sehr verschoben und wird häufig instrumentalisiert, um eine Dämonisierung der Pornoindustrie als Ganzes vorzunehmen. Das finde ich sehr problematisch, ohne das in irgendeiner Art und Weise relativieren zu wollen."

Auseinandersetzungen halten bis heute an

Der Erfolg von "Deep Throat" in den 70er Jahren mündete in den USA in einen Kulturkampf, der bis heute anhält: Zahlreiche Feministinnen gingen auf die Straßen, um gegen Pornografie zu demonstrieren, 23 US-Bundesstaaten setzten den Film auf den Index.

Ein Rückschlag nach einer kurzen, goldenen Zeit der Pornos, meint die feministische Porno-Regisseurin Paulita Pappel. Bis heute schaue die Mehrheit pornografische Inhalte heimlich, es gäbe viele Vorurteile, die schädlich für Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen seien. Sie wünscht sich, ihre Pornofilme würden endlich als ein Filmgenre unter vielen gesehen werden: "Wenn wir diese Grenze aufheben, können wir alles Mögliche machen. Dann werden wir trotzdem auch – das finde ich wichtig – Pornografie haben, die wirklich nur eine Fantasie bedient, die gar keinen lukrativen, pädagogischen Wert hat, weil es wirklich nur ein Unterhaltungsprodukt ist, was unsere Imagination, unsere Vorstellungskraft bedient und uns Spaß haben lässt. Und das ist auch okay. Ich glaube, das ist etwas, was Pornographie inhärent hat: Diese Zelebration von Lust ist etwas, was in unserer Gesellschaft sonst leider zu kurz kommt."

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