Kuschel-Abend in München: Mehrere junge Menschen liegen aneinandergeschmiegt zusammen
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Kuschel-Abend in München

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Warum sich Hobby-Kuschler Berührungen schenken

Sich streicheln, in den Armen liegen, aneinander schmiegen – und das ohne sexuelle oder romantische Hintergedanken. In München gibt es junge Menschen, die sich immer wieder zu privaten Kuschel-Abenden treffen.

"Einige sind neu hier", sagt Kasi, Gastgeber und Kuscheltherapeut. "Wir werden uns Schritt für Schritt näherkommen, wir werden lernen, Grenzen zu setzen." Die vier Männer und zwei Frauen sitzen sich in bequemen Klamotten auf dem Teppich gegenüber, füßeln schon einmal ein bisschen miteinander, als Einstimmung auf später.

Dann stellen sie sich einander vor. "Ich würde mich selber als Kuschel-Newbie bezeichnen", sagt Phil, der heute zum ersten Mal dabei ist. "Ich kannte Berührungen primär aus romantischen Beziehungen, ich bin ein bisschen nervös."

Kuscheln zur Entspannung

In Zweierpaaren gehen die Teilnehmer langsam aufeinander zu, kommen sich immer näher, blicken sich tief in die Augen. Vorsichtig berühren sie sich an den Händen. "Das macht einfach sehr viel mit mir", sagt Alex, die bereits drei Jahre lang platonische Kuschelerfahrung gesammelt hat. "Man kommt irgendwann an einen Punkt, an dem man so sehr in die Entspannung geht und einander so gut spürt."

Verantwortlich für das angenehme Gefühl beim Berühren ist der Botenstoff Oxytocin, umgangssprachlich auch als Kuschelhormon bekannt. Oxytocin löst Entspannung und Wohlbefinden im Körper aus. Unser Herz schlägt langsamer, der Blutdruck sinkt. "Let's get started", ruft Kasi, das Gruppenkuscheln beginnt.

Nähe im Tanz erfahren

Achtsam aufeinander zugehen, sich näher kommen ohne Grenzen zu übertreten - darum geht es auch beim Shinui, einem Improvisationstanz. Im Münchner Tanzraum Lachdach Pling, treffen sich Veronica und Eva zu diesem Tanz, der ganz ohne Musik auskommt.

"Dabei entsteht eine ganz satte Berührung und ein erfülltes Gefühl, dass man miteinander in Kontakt ist" erklärt Shinui-Tänzerin Veronica Hoffmann. Eva führt bei der heutigen Session, dreht sich langsam um Veronica, lässt sich nach hinten fallen.

Spüren, was der andere braucht

Veronica reagiert auf Evas Bewegungen, stützt sie, hält ihre Arme, greift um ihren Oberkörper. Sie muss ganz genau spüren, welche Bedürfnisse ihre Tanzpartnerin hat und versuchen, sie in ihrer Bewegung zu unterstützen. Das Ziel dabei: Eva soll sich geborgen fühlen und sich fallen lassen können.

Doch auch Veronica nimmt etwas aus dem Tanz mit, wie sie sagt: "Ich habe auch das Gefühl, dass ich beschenkt werde. Es ist ja nicht so, dass ich nur Berührung gebe, ich werde ja auch berührt."

Eine Stunde kuscheln: Was macht Berührung mit uns?

In Kasis Wohnung waren er und seine Freunde nun eine gute Stunde beieinander gelegen. Sie haben herausgefunden, wie der eigene Kopf auf dem Bauch oder im Schoss des anderen am bequemsten liegt. Sie haben sich am Rücken gekrault, sich an den Armen und Füßen gestreichelt oder mit den Haaren des anderen gespielt.

Jetzt wirken sie sichtlich entspannt. "Ich fühle mich geborgen, ruhig, es ist einfach schön", sagt einer der Männer. "Wir tun etwas für die anderen", erklärt Kasi, "und wenn wir sehen, dass der andere glücklich ist, bist auch du glücklich."

So sieht das auch Alex: "Es ist eine sehr schöne Mischung zwischen Geben und Empfangen." Für die Hobby-Kuschler ist klar: Wer auf achtsame Weise anderen Berührungen schenkt, macht sich damit auch selbst ein Geschenk.

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