Szene aus "Warten auf Godot" am Mainfrankentheater Würzburg
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Szene aus "Warten auf Godot" am Mainfrankentheater Würzburg

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"Warten auf Godot" in Würzburg: Apokalypse forever!

Samuel Becketts "Warten auf Godot" ist ein Bühnen-Klassiker. Am Würzburger Mainfrankentheater steht das Stück über die Absurdität menschlicher Existenz auf Erden nun wieder auf dem Spielplan. Ob sich das Warten lohnt?

Die Uhr, die anfangs vernehmlich tickt, ist offenkundig auf Endzeit gestellt – das aber für immer. Als würde sich der Weltuntergang in alle Ewigkeit hinziehen. Apokalypse now – forever!, beschienen von einer Mondscheibe mit rostigen Rändern, die blutrot über der fast leeren Bühne leuchtet, in der es einzig den von Beckett per Regieanweisung verfügten einzelnen Baum gibt. Dessen Stamm ist in Würzburg allerdings ein Stahlmast, aus dem keine Äste, sondern bizarr verknickte Metallarme wachsen. Und am Bühnenboden: eine schmutzige liegende Acht – mathematisches Zeichen für die Unendlichkeit und zugleich der ausgetretene Pfad, auf dem sich Wladimir und Estragon, Becketts traurigen Helden, in der Inszenierung von Kevin Barz wieder und wieder buchstäblich im Kreis drehen, gefangen in der stets selben Runde wie in den immer gleichen Textschleifen. Tag um Tag wartend auf einen gewissen Godot, der doch nie kommt.

Wladimir und Estragon tragen Anzüge, die mal schick und weiß waren, jetzt aber zerschlissen und schmutzig grau sind, als wäre sie die letzten Überlebenden der Bordkapelle eines gesunkenen Schiffs, gestrandet im Nirgendwo, verdammt bis zum Jüngsten Tag das Alleinunterhalter-Duo zu geben, sprich: sich allein zu zweit zu unterhalten, es sei denn, Pozzo und Lucky kommen vorbei, die im seidig schimmernden Schwarz, in dem sie in Würzburg gekleidet sind, aussehen wie Boten der Apokalypse und mit entsprechendem Unheils-Sound auftreten, aber trotzdem keine Erlösung mitbringen. Denn die ist ja in diesem endlosen Endspiel nicht vorgesehen.

Endloses Endspiel ohne Erlösung

Im Januar kommenden Jahres wird es 70 Jahre her sein, dass Wladimir und Estragon erstmal auf die Bretter, die die Welt bedeuten, geworfen wurden, um danach ihren verlorenen Posten auf den Spielplänen nicht mehr zu verlassen. Auch das eine kleine Ewigkeit. Kein Wunder also, dass das Stück längst das ist, was man als "ausinszeniert" bezeichnen könnte. Zumal der Interpretationsspielraum ohnehin begrenzt ist.

So vieldeutig Beckett im Detail ist – das fängt schon bei der nie auftretenden Titelfigur an: Godot könnte für Gott stehen, muss er aber nicht – so eindeutig erzählt Beckett von der Absurdität menschlicher Existenz auf Erden. Weil die Grundsituation also unabänderlich ist, ist "Warten auf Godot" eher ein Fall für die Illustration als die Interpretation.

Kevin Barz setzt zumindest dahingehend eine eigene Note, indem er in seiner Inszenierung am einsamen Baum statt Blüten und Blättern Suchscheinwerfer und Überwachungskameras sprießen lässt. Und der kleine Junge, den Godot bei Beckett als Boten ausschickt, tritt nicht auf, sondern meldet sich über Fernsprechanlage aus dem Baum zu Wort.

Die Absurdität menschlicher Existenz

Wer immer dieser Godot ist, in Barz‘ Inszenierung hat er offenbar ein sadistisches Vergnügen daran, Waldimir und Estragon über Video zu beobachten und zappeln zu lassen. So setzt Barz Beckett noch eine boshafte Pointe obendrauf. Das größte Pfund der Aufführung aber sind die gut geführten Schauspieler: Georg Zeies und Anselm Müllerschön als Pozzo und Lucky, die ja nicht nur metaphysische Erscheinung sind, sondern mindestens ebenso sehr Verkörperung des menschlichen Machtmusters von Master and Servant.

Zeies‘ Pozzo ist ein leutseliger Herrenmensch, was die Figur besonders zynisch macht. Müllerschöns Lucky kläfft wie ein Köter und tanzt wie eine eingerostete Spieldosenfigur, die Knechtschaft ist ihm in den Körper gefahren. Und dann sind da natürlich noch Hannes Berg und Martin Liema als Wladimir und Estragon, verzweiflungshoffend der eine, resigniert der andere, beindruckend alle beide, wie sie Becketts Figuren, die leicht Mal papieren wirken können, mit Persönlichkeit füllen.

Pappkamerad blieb gestern Abend nur Kevin Barz. Er war verhindert, wurde zum Verbeugen aber als lebensgroßer Posterboy auf die Bühne getragen. Den verdient kräftigen Applaus für seine vorerst letzte Würzburger Arbeit hat der scheidende Hausregisseur somit leider verpasst.

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