US-amerikanisches Lazarett im Zweiten Weltkrieg
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US-amerikanisches Feld-Lazarett im Zweiten Weltkrieg

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"War Hospital": Triage im Computerspiel

"War Hospital": Triage im Computerspiel

Es gibt Antikriegsfilme, es gibt Antikriegsbücher, es gibt Antikriegsmusik, aber Antikriegscomputerspiele? Die gibt es auch, wenngleich selten. Nun erscheint mit "War Hospital" ein Strategiespiel, das einen anderen Blick auf den Krieg wagt.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

1918, irgendwo an der Westfront, nur ein paar Kilometer entfernt von den Schützengräben. Für viele Soldaten sind wir der letzte Funken Hoffnung, denn wir leiten ein Feldlazarett. Da ist zum Beispiel Robert Smith von der 24. Division der Briten. Von Beruf Fabrikant, verheiratet, drei Kinder. Smith wird mit schweren Verletzungen eingeliefert.

Schwere Entscheidungen stehen an

Der Eingriff würde fünf Stunden dauern, es wäre die vierte OP für den Arzt, der seit Stunden ununterbrochen Gewehrkugeln und Granatsplitter aus menschlichen Körperteilen entfernt und kurz vor dem Zusammenbruch steht, während draußen unablässig die Kanonen hallen. Und so stellt sich unweigerlich die Frage: Ergibt das jetzt überhaupt noch Sinn? Sollen wir unserem Arzt nicht lieber eine Mütze Schlaf gönnen oder vielleicht Patienten mit kleineren Verletzungen vorziehen? Und anders: Sollen wir Robert Smith nicht einfach seinem Schicksal überlassen?

Im Chaos Menschlichkeit bewahren

Es sind genau solche Entscheidungen, die "War Hospital" so bewegend machen. Auch, weil man abwägen muss, was man mit den genesenen Soldaten macht. Aus dem Dienst entlassen? Das hebt die Moral. An das Hauptquartier schicken? Das verschafft uns mehr Ressourcen. Oder wieder ab in den Schützengraben? Denn wenn der Feind unser Lazarett überrennt, ist alles vorbei. Natürlich fehlt es dabei an allem: Krankenschwestern, Betten, Nahrung. Manche Wunde lassen wir nur schlampig zunähen, um Zeit zu sparen. Oben auf dem Bildschirm ein Zähler: 12 tot, 16 gerettet. Immerhin.

Und so trotzen wir dem Krieg, indem wir inmitten dieses Chaos Menschlichkeit bewahren. Wir empfinden Dankbarkeit, als Walborg Okeke, ein flämischer Soldat der 2. Infanterie-Division, der schon im kritischen Stadium eingeliefert wird, dem Tod gerade noch so von der Schippe springt und Trauer, als John Murphy, ein 46-jähriger Lackierer aus Lincolnshire, seinen Verletzungen erliegt, weil wir vergessen haben, rechtzeitig Verbandsmaterial nachzubestellen. Nach und nach formen wir ein Team von grimmigen Lebensrettern, regen Feuerpausen an und schaffen ein ganz kleines bisschen Normalität im Chaos.

Die Gräuel des Krieges als Spiel?

Computerspiele lieben den Krieg. Doch in den ganzen "Call of Dutys" und "Battlefields" dieser Welt ist der Krieg vor allem eines: ein knallbuntes und explosives Abenteuer. Zivilisten kommen in der Regel gar nicht vor und verletzte und dahinsiechende Soldaten auch nicht. Lange galt es als geradezu unmöglich, eine Art Anti-Kriegsspiel zu machen. Denn wie soll das gehen? Die Gräuel des Krieges zeigen – und das in einem Spiel? Die Gefahr, unermessliches Leid zu trivialisieren, schwingt immer mit.

Vor ein paar Jahren kam dann "This war of mine", eine Überlebenssimulation aus Polen, in der es darum ging, in einer vom Krieg verwüsteten Stadt nicht umzukommen. "This War of Mine" wurde von der Kritik gelobt und war auch ein kommerzieller Erfolg.

"War Hospital" schlägt in eine ähnliche Kerbe. Auch hier geht es nicht um den Ruhm auf dem Schlachtfeld, sondern um das Überleben, die menschliche Fürsorge und die schwierigen Entscheidungen, die unter extremen Bedingungen getroffen werden müssen. Es ist ein Spiel, das den Krieg in einem anderen Licht darstellt und den Spieler zwingt, über die Folgen seiner Handlungen nachzudenken. Aber "War Hospital" ist vor allem auch eines: ein gutes Spiel. Die Mechaniken greifen sauber ineinander, das Strategiespiel ist fordernd und aufregend. Das alles macht "War Hospital" zu einem Spiel, das Hoffnung macht – auch für das Medium Computerspiel.

"War Hospital" ist erschienen für PlayStation 5, Xbox Series und PC

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