Ist es nur ein "Hype" um originelle Namen, wie Moskaus einflussreicher Söldnerchef Jewgeni Prigoschin mutmaßt? Er gilt als Gründer der weltweit gefragten "Gruppe Wagner", einem zwielichtigen Sicherheitsunternehmen, das er selbst als "größte Privatarmee der Welt" bezeichnet. Jetzt bekommt Prigoschin Konkurrenz von "Mozart", ebenfalls eine Söldner-Firma, die in den USA gegründet wurde. Der skurrile "Komponisten"-Wettbewerb sei "historisch gewachsen", so Prigoschin: "Unabhängig davon, wie sie sich selbst nennen - 'Mozart' oder 'Salieri', 'Schubert' oder [nach dem russischen Schlagerstar] 'Kirkorow' - es bringt den verschiedenen militärischen Formationen auf jeden Fall weder Stärken noch Vorteile."
Es sei "lächerlich", von einem Kampf zwischen Wagner und Mozart zu sprechen, so Prigoschin. Wobei es allerdings immer jemandem auf der Welt geben könne, der seiner eigenen Truppe überlegen sein könne: "Das ist der normale Lauf der Geschichte." Die Amerikaner von "Mozart" könnten den Ukrainern "wahrscheinlich technische Innovationen" vermitteln, aber nicht deren Kampfkraft erhöhen.
Militärausbilder aus dem Westen
Anfangs habe er mit dem Firmennamen "Mozart" ja etwas gehadert, so der pensionierte US-Oberst Andy Milburn im vergangenen August in einem Interview mit dem britischen "Guardian". Doch inzwischen sei die Marke gut eingeführt und es gebe folglich keinen Grund, das Sicherheitsunternehmen umzubenennen. "The Mozart Group" soll dreißig bis vierzig westliche Militärausbilder aus den USA, Großbritannien, Irland und anderen Ländern umfassen. Sie alle trainieren angeblich ukrainische Soldaten für den Fronteinsatz. Aktuell sollen sich "Mozart"-Einsatzkräfte und die Soldaten der russischen Privatarmee "Wagner" in Artemiwsk im Donbass direkt gegenüberstehen, heißt es in Telegram-Blogs, die sich über das "Komponisten-Duell" entsprechend ironisch auslassen.
"Was wir tun, ist ein bisschen anders"
Die Namensgebung "Mozart" nahm natürlich direkt Bezug auf die rechtsextreme "Gruppe Wagner", gleichwohl sagte Milburn, der in seiner aktiven Zeit bis 2019 in Spezialkommandos im Nahen Osten tätig war, er sehe sich und seine Leute als "Kampf-Multiplikatoren": "Wir sind kein Gegenstück zur Wagner-Gruppe; was wir tun, ist ein bisschen anders." So dürften sich "Mozart"-Mitarbeiter nicht direkt an den Kämpfen beteiligen. Sie beschränkten sich auf "humanitäre Hilfe" und die Ausbildung. Ukrainische Soldaten erhalten der Selbstdarstellung der Gruppe zufolge fünf- oder zehntägige Crashkurse in "grundlegender Waffenhandhabung, Treffsicherheit, Feuer-, Manöver- und Schlachtfeldtaktiken", die idealerweise sechs Monate Zeit in Anspruch nehmen würden. Die Kommunikation erfolge über Dolmetscher.
"Wir sind eine kleine Organisation, aber wir wachsen, und wenn Sie mit den ukrainischen Soldaten sprechen, die wir ausgebildet haben, werden sie alle bestätigen, dass sie unsere Freunde geworden sind", so Milburn in einem Interview mit einem ukrainischen Portal. Er sei kein Experte für die "Wagnerianer", so der Ex-Oberst, bezweifle aber deren Erfolge in Afrika: "Wenn man das alles in einem Komplex betrachtet, wird klar, dass die Wagner-Gruppe ganz schlimme Sachen macht und ehrlich gesagt immer einen schweren Stand mit Söldnern hatte. Dort basiert der ganze Ruf auf Grausamkeit, aber ihre Soldaten hatten nie den Ruf echter Krieger."
"Ich hielt mich für einen Arier"
Während die "Mozart"-Gruppe sich also nicht zuletzt mit satirischer Absicht ihren Namen gab, gelten die Gründer der "Wagner"-Einheiten als notorische Rechtsextreme, allen voran der vierfach mit "Tapferkeitsorden" ausgezeichnete "Geschäftsmann" Dmitri Utkin (52), der aus seiner NS-Bewunderung zumindest früher keinen Hehl machte und seine Uniform mit SS-Runen geschmückt haben soll. Offiziell wird Utkin als Manager einer Restaurantkette bezeichnet, darunter auch ein "Schokoladenmuseum".
Nicht von ungefähr wählte er den Kampfnamen "Wagner", galt der gleichnamige Komponist und Antisemit doch als Hitlers Lieblingskünstler: "Ich habe mich für den deutschen Namen entschieden. Ich hielt mich für einen Arier", so ein Ausspruch, der von Utkin kolportiert wird. Später benannte sich das gesamte Söldner-Unternehmen nach dem Tondichter von "Lohengrin" und "Götterdämmerung". Im Einsatzgebiet im afrikanischen Mali hängen sogar Porträts des Komponisten als Werbung und Solidaritätszeichen an den Zäunen (siehe Tweet).
"Wagnerianische" Propagandahits aus Syrien
Utkins Ex-Frau sagte über ihn schon vor Jahren, er sei "von Natur aus ein Krieger" und habe immer als Offizier an der Front kämpfen wollen. Sie hätten sich "wegen seiner Mutter" getrennt: "Er lebte zwischen zwei Feuern: einerseits - ich, andererseits - seine Mutter. Und er tuschelte sogar mit ihr. Gleichzeitig wollte sie unbedingt, dass er in der Ukraine lebt und dort dient." 2016 suchte die Ehefrau sogar per TV-Sendung nach ihrem abgängigen Mann. Der Ex-Geheimdienstmann, der niemals Interviews gibt, hatte sich nach Syrien abgesetzt und vertrieb schon ein Jahr später im Netz "wagnerianische" Propagandahits, in denen unbekannte Sänger zur Gitarrenbegleitung Flüche auf syrische Kampfschauplätze wie Palmyra ausstießen: "Wir hissen die [russische] Trikolore auf der zerbombten Moschee."
Aufklärer Mozart gegen Romantiker Wagner
Inzwischen tingelt Utkin, der ein besonderes Faible für Kopfbedeckungen der deutschen Wehrmacht haben soll, als Oberstleutnant der Reserve mit Firmen-Boss Jewgeni Prigoschin durch russische Gefängnisse, um personellen Nachschub für die "Gruppe Wagner" zu rekrutieren. Dabei stehen "Blut und Ehre" ganz oben auf der Liste der angepriesenen "Werte". Die Söldner sind für ihre Rücksichtslosigkeit und teils exzessiven Gewalttaten berüchtigt. Die Hinrichtung eines Deserteurs mit einem Vorschlaghammer vor laufender Kamera sorgte in Russland kürzlich für jede Menge Schlagzeilen. Vor dem Zugriff von Behörden ist die "Gruppe Wagner" jedoch offensichtlich geschützt: Prigoschin soll im Kreml ein- und ausgehen und wurde zum Vertrauten von Präsident Putin persönlich.
Die bizarre "Markenführung" der beiden Söldnertruppen wirft ein äußerst befremdliches Licht auf zwei deutschsprachige Komponisten, deren Kunstverständnis heute nicht wenige Musikfans für "unvereinbar" miteinander halten. Mozart gilt als Vorkämpfer der Aufklärung, setzte auf kühle Vernunft und sympathisierte mit den Freimaurern. Wagner war dagegen einer der profiliertesten Romantiker, begeisterte sich für das Mittelalter und seine Mythen, predigte "Erlösung" und Opferbereitschaft und verherrlichte nicht nur in seinen "Meistersingern von Nürnberg" die "deutsche Kunst", die er als Gegenstück zum "welschen Dunst mit welschem Tand" sah. Damit wandte er sich erklärtermaßen gegen die weltläufige, rational geprägte französische und britische Lebensart und arbeitete wohl auch seinen unerwarteten Misserfolg in Paris auf.
Wagner schätzte Mozart außerordentlich
Tatsächlich zeigt sich das Publikum von Mozart und Wagner im Klassikbetrieb selten deckungsgleich, wie schon ein flüchtiger Blick auf die Stammgäste in Salzburg und Bayreuth beweist. Selbst die bevorzugten Getränke unterscheiden sich: An der Salzach Champagner, auf dem Grünen Hügel in Bayreuth fränkisches Bier, ein Kennzeichen der dahinterstehenden Mentalität. Dabei rühmte Wagner seinen Vorgänger Mozart als "größtes und göttlichstes Genie", attestierte ihm "Bescheidenheit bis zur Verschämtheit" und lobte: "Eine rührendere und erhebendere Erscheinung hat keine Kunstgeschichte aufzuweisen." Selbst, dass Mozart italienische Textbücher vertonte, entschuldigte Wagner mit den damals vorherrschenden Gewohnheiten.
Bekanntlich wird Richard Wagners Musik nach wie vor in Film und Fernsehen gern zur Untermalung martialischer Szenen eingesetzt, wobei der "Walkürenritt" in Francis Ford Coppolas Vietnam-Drama "Apokalypse Now" (1979) bis heute Kultstatus hat: Eine amerikanische Helikopter-Einheit verwüstet zu den kriegerischen Klängen ein Küstendorf, wobei die Musik inhaltlich durchaus passt: Die Walküren tragen bei Wagner die besonders Tapferen unter den Gefallenen vom Schlachtfeld in den germanischen Götterhimmel, keinen Gedanken auf das vorhergehende Gemetzel verschwendend.
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