Eigentlich galt Italo-Disco wie viele andere synthetische Popmusiken der 80er Jahre einmal als Tiefpunkt. Irrsinnig trashig, billig und superkünstlich klangen die Produkte dieser Ära aus Bella Italia. Zu stumpfen Kommandos wurden damals rhythmische Tanzbewegungen ausgeführt auf dem Dancefloor der Discos, wie die Clubs damals hießen, aber wie alles in der Welt des Pop ist auch dieser Style irgendwann wieder anschlussfähig geworden – für’s Recycling würdig. Bis zum Bersten gefüllt mit Sentimentalität darf er nun getrost reproduziert werden.
Weg von hier, das ist mein Ziel. Dieser Gedanke, den einst Franz Kafka in sein Tagebuch schrieb, könnte als Lebensmotto von Jakob Hägelsperger dienen. Der gebürtige Niederbayer hat bei der Elektropunk-Formation Frittenbude angefangen. Frittenbude klingt überhaupt nicht nach Bayern, sondern eher nach Castrop-Rauxel oder nach Hamburg. Tatsächlich re-mixten Frittenbude so ziemlich alles, was Rang und Namen hat im jüngeren, deutschsprachigen Rock. Die Band kam bei audiolith unter, einer Hamburger Plattenfirma, die freche, junge Electropop-Acts wie Ducks On Drugs oder Politrocker wie Feine Sahne Fischfilet unter Vertrag hat.
Alles, alles, nur bitte nicht Niederbayern!
Hägelsperger zog wie seine Bandkollegen nach Berlin und arbeitete hier unter dem Pseudonym Kalipo und Basslaster als Techno-DJ und Produzent. Jetzt hat er mit Local Suicide kooperiert, ein Duo, das aus der griechisch stämmigen Vokalistin Dina P. aus Thessaloniki besteht und ihrem Partner Max Brudi – beide, wen wundert’s, riesige Electropopfans. Brudi ist tagsüber für das Berliner Büro eines angesagten Londoner Elektro-Labels tätig.
Angeblich wurden nur zwei alte Analog- Synthies und ein Mikrophon eingesetzt, um die Tracks von Rimini zu stemmen. Ein bisschen mehr an Instrumentarium und Software dürfte es schon gewesen sein. Jedenfalls knattert in den Stücken geradezu der Wind über die Stabilimenti am sonnenüberfluteten Badestrand, die Luft ist erfüllt vom Duft der Sonnencreme, von Kindergeschrei und Zigarettenrauch, aus den Boxen am Strand scheinen die flirrenden Synthie-Sounds von Dina Summer zu dröhnen.
Rimini als imaginärer Sehnsuchtsort
Dina Summer? Der Name dieses Projekts spielt natürlich auf Donna Summer an, die Disco-Queen, die einst in München begann unter der Regie des Produzenten und erstaunlichen Klanggestalters Giorgio Moroder. Tatsächlich werden hier auch die elektronischen Soundtracks des US-Regisseurs John Carpenter mit Stilelementen gekreuzt, wie sie einst das legendäre New Yorker Duo Suicide entwickelt hat. Dina, was die Kurzform von Konstantina sein dürfte, übt sich dazu im ominös stimmungsvollen Sprechgesang, einem visionären Raunen wie das einst Alan Vega bei Suicide etabliert hat. Hat also durchaus Charme dieses Album, das den Italo-Pop als Klammer nutzt und die Metapher vom Urlaubsort Rimini als Synonym für elektronische Popmusik!
Für Covergestaltung und Videodreh sind die Drei von Dina Summer tatsächlich nach Rimini gereist.
Das witzige Elektropop-Album Rimini von Dina Summer ist als Vinyl-Scheibe, Download, im Stream und als Musikcassette erhältlich. Veröffentlicht bei audiolith in Hamburg.
Am 4. August stellen Dina Summer ihr Rimini-Album übrigens live in München vor - im Techno-Club Rote Sonne, wo sonst?
Verpassen war gestern, der BR Kultur-Newsletter ist heute: Einmal die Woche mit Kultur-Sendungen und -Podcasts, aktuellen Debatten und großen Kulturdokumentationen. Hier geht's zur Anmeldung!
Die tägliche Dosis Kultur – die kulturWelt als Podcast. Hier abonnieren!