"Das Altbackene, das Eingestaubte, Marsch, Walzer, Polka...", so fasst Musikerin Rebecca Kress das Image zusammen, das ihr Hobby leider seit langer Zeit trägt. Die 24-Jährige spielt Saxophon und Klarinette bei der Stadtkapelle Frankenland mit Sitz im mittelfränkischen Neustadt an der Aisch. Doch bei der Kapelle will man sich mit diesem Ruf keinesfalls zufriedengeben, sagt auch Marion von Poschinger, die Vorsitzende des Vereins. Denn sicher trage auch das eingestaubte Image der Blasmusik seinen Teil zum Nachwuchsmangel bei.
Michael Jackson statt Polka
"Wir müssen interessant werden und das werden wir nicht mit traditioneller Musik, sondern wir müssen mit anderer Musik auf uns aufmerksam machen – in dem Fall halt Rock und Pop“, glaubt Marion von Poschinger, die selbst Klarinette spielt. Deshalb setzt der Musikverein seit einiger Zeit auf Songs von Michael Jackson, der Rockband The Journey, Coldplay oder den White Stripes. "Wir haben auch schon Metal-Stücke gespielt", lacht die Vorsitzende. Gerade beim jungen Publikum komme die Musikauswahl sehr gut an, auf manchen Konzerten habe man bereits gemerkt, dass das Publikum deutlich jünger geworden ist.
Nachwuchsmangel betrifft ganz Nordbayern
Doch mit einem eingestaubtem Image und Nachwuchsmangel kämpfen nicht nur die Musikerinnen und Musiker in Neustadt an der Aisch. Das Problem gebe es in ganz Nordbayern, bestätigt Ines Scheuring vom Nordbayerischen Musikbund e. V., Dieser ist mit 900 Mitgliedsvereinen und Institutionen in Ober-, Mittel-, Unterfranken und der Oberpfalz der größte Laienmusikverband Bayerns. "Ich denke, das merkt jeder, dass in unserer heutigen Leistungsgesellschaft Freizeitangebote immer weniger genutzt werden", vermutet Scheuring. Zudem habe die Pandemiezeit die Nachwuchsprobleme noch verstärkt.
Musikbund erzählt die "Blasmusik-Storys"
2021 hat der Musikbund das Portal "Blasmusik 4 you" gestartet. Dort können Interessierte unkompliziert einen Verein finden. Ergänzt wurde dies im Mai 2023 durch die Image-Kampagne "Blasmusikstorys". Dabei werden die Geschichten von Musikerinnen und Musikern online, auf Social Media oder ganz altmodisch auf Plakaten erzählt. "Da sind Einzelpersonen, Freundinnen und sogar eine ganze Familie dabei", so Scheuring. "Es geht zum Beispiel um Flitterwochen auf der Bühne oder die späte Liebe zur Tuba." Der Musikbund hofft so auf Aufmerksamkeit für die Blasmusik und auf viele neue Nachwuchsmusiker.
Vorsitzende lernt heimlich Querflöte
Eine eigene Blasmusikstory haben auch die Mitglieder der Stadtkapelle Frankenland. Die Vorsitzende Marion von Poschinger hat beispielsweise den Vorsitz des Vereins aus der Not heraus übernommen, sonst wäre der Verein wohlmöglich "gestorben". Bis dahin konnte sie kein Instrument spielen. "Aber ich habe gedacht: 'Das geht nicht, dass die Vorsitzende kein Instrument spielt!' Dann habe ich heimlich gelernt." An der Weihnachtsfeier hat sie dann "die Bombe platzen lassen", wie sie sagt. Seitdem spielt Marion von Poschinger Querflöte.
Flashmob-Premiere bei Stadtfest
Doch ihr Verein setzt nicht nur auf moderne Musik, um Nachwuchs anzuziehen. Die Gruppe mit Mitgliedern zwischen 14 und 72 Jahren, testet auch gerne neue Wege, aufzutreten: So haben sie bereits einige Motto-Konzerte gespielt. Bei der Langen Nacht der Kultur in Neustadt an der Aisch wollten sie das Publikum mit einem Flashmob überraschen. "Es ist ungewohnt, ich bin schon etwas aufgeregt, aber das wird cool!“ sagte Rebecca Kress kurz vor dem Start.
Zwischen 14 und 72 Jahre sind die Mitglieder der Stadtkapelle Frankenland alt.
Idee kommt bei Publikum an
27 Musikerinnen und Musiker kamen an dem Abend zusammen und mischten sich ganz unauffällig unter die Besucher. Auf ein Signal des Dirigenten hin, kam immer aus einer anderen Ecke des Marktplatzes Instrument um Instrument hinzu – von der Trommel bis hin zur Trompete. Anfangs huschten die interessierten Blicke der Besucher noch etwas hektisch über den Markplatz, doch spätestens, als die gesamte Stadtkapelle sich vor dem Rathaus versammelt hatte, waren alle Augen auf sie gerichtet.
"Einfach wow!"
Die ungewöhnliche Darbietung kam an, ein weiterer Vorteil: Es wurden nur moderne Songs gespielt, Lieder, die jeder kennt. Von "Beat it" bis "Seven Nation Army". Nach gut 20 Minuten war der Flashmob vorbei, unter viel Applaus zog die Gruppe weiter. "Es war ein mega Erfolg! Einfach wow", freut sich Rebecca Kress. "Die Leute waren begeistert, ich war begeistert. Und das ist der Grund, warum wir Musik machen, also: hammergeil!"
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