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Krisenschauplatz Volksbühne

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Berliner Volksbühne droht finanzieller Kollaps

Der Rücktritt von Intendant Chris Dercon erfolgte offenbar vor dem Hintergrund eines drohenden finanziellen Kollapses der Berliner Volksbühne. Das ergab eine Recherche von NDR, RBB und "Süddeutsche Zeitung".

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Um die Finanzierung der Volkbühne abzusichern, hatte Dercon 2015 mit Sponsoren-Geldern in Höhe von 1,25 Millionen Euro gerechnet. Diese sollten „entweder BMW oder Mercedes“ beisteuern, wie es in einer vertraulichen E-Mail der Berliner Kulturverwaltung hieß . Tatsächlich ging die Volksbühne 2017 nur von Sponsoringeinnahmen in Höhe von 125.000 Euro aus. Ob das Geld tatsächlich eingesammelt wurde, ist unklar. Auch der Plan, durch Gastspiele 750.000 Euro einzunehmen, konnte nicht umgesetzt werden. Dem gegenüber stehen hohe Kosten bei Eigenproduktionen.

Hohe Ausgaben, geringe Auslastung

Seit Beginn der Intendanz Dercons leidet die Volksbühne unter einer zu geringen Auslastung bei gleichzeitig hohen Ausgaben. Dass die finanzielle Situation der Volkbühne schwierig werden könnte, stellte ein interner Vermerk der Kulturverwaltung für den Regierenden Bürgermeister schon zu Beginn der Spielzeit fest. Bereits im August 2017 hieß es dort: Die „Einnahmen aus Kartenerlösen gehen gegenüber Volksbühne alt zurück.“ Für 2018 wurde mit einem weiteren "Besucherrückgang zahlende Besucher um 20 Prozent“ gerechnet. Außerdem würde es weniger "geplante Vorstellungen als unter Castorf“ geben, heißt es in dem Bericht vom 21. August 2017, der rbb, NDR und SZ vorliegt. Nach den Recherchen ist der Besucherrückgang jedoch deutlich höher. Die Auslastung des Theaters liegt bei den wenigen reinen Eigenproduktionen nach aktuellem Stand im Schnitt bei unter 50 Prozent.

Kritik an Berliner Bürgermeister Müller

Dercon fühlte sich offenbar vom Berliner Bürgermeister Michael Müller (SPD) im Stich gelassen. Geplant war unter anderem auch den Flughafen Tempelhof als Spielort zu nutzen. Doch dafür fehlten offenbar von Anfang an die Mittel. In einem Gespräch mit NDR, RBB und SZ kurz vor der Bekanntgabe seines Rücktritts griff Dercon den Regierenden Bürgermeister Berlins hart an: "Ich habe mich vier Mal mit Müller getroffen und nie wieder etwas von ihm gehört“, so Dercon. "Das ist hier ein Appell und das sage ich auch gern: Wo ist der Herr Regierende Bürgermeister Michael Müller? Quo vadis, Herr Müller? Wo gehen Sie hin? Was wollen Sie? Übernehmen Sie Verantwortung? "

Auch Peymann macht Politik verantwortlich

Auch Theatermacher Claus Peymann machte die Politik für das Scheitern von Dercon verantwortlich. Die erwartete Katastrophe sei eingetreten, so der Ex-Intendant des Berliner Ensembles in einer der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Erklärung. "Vor zwei Jahren habe ich davor gewarnt, dass die Schauspielkunst und das Ensemble an der Volksbühne gekillt werden und stattdessen eine weitere 'Eventbude' in Berlin etabliert wird." Verantwortlich sei allerdings nicht "der gänzlich überforderte, nette Herr Dercon (Überforderung ist schließlich kein persönliches Vergehen), sondern die Politik, in allererster Linie der damalige Regierende Bürgermeister Berlins und Kultursenator Klaus Wowereit und sein Nachfolger im Amt Michael Müller."