Mehr als zwei Jahre war die Veranstaltungsbranche während der Corona-Pandemie zum Nichtstun verdammt. Konzerte waren wegen des Ansteckungsrisikos verboten. Seit diesem Jahr dürfen die Shows wieder stattfinden und im Sommer waren die großen Festivals wie Rock im Park auch ausverkauft, aber jetzt tauchen neue Probleme auf. Viele Tourneen werden gecancelt und Konzerte einmal mehr verschoben. Allerdings sind die Gründe jetzt andere, als während der Pandemie.
Andere Freizeitgestaltung durch Pandemie
Viele Konzertgänger haben zwei Jahre oder länger kein Konzert mehr besucht. Durch die Pandemie und den Lockdown waren sie gezwungen, ihre Freizeit umzugestalten. Viele Stammgäste, die früher regelmäßig zu Konzerten gegangen sind, bevorzugen auch nach dem Ende des Lockdowns den Abend auf der Couch. Die Prioritäten in der Freizeitgestaltung haben sich verschoben. Das große Problem ist und bleibt aber natürlich das Geld.
Energiekrise spielt auch eine große Rolle
Alles wird teurer und das macht sich inzwischen auch bei Konzertbesuchern bemerkbar, sagt Steffen Rose von Navigator Productions, der im Jahr über 100 Konzerte in Schweinfurt, Würzburg, Frankfurt und Nürnberg organisiert. "Wenn du am Ende des Monats überlegen musst, ob du deinen Kühlschrank füllst, oder auf ein Konzert gehst, dann wird sich der eine oder andere sicher überlegen, ob er das Konzert wirklich braucht", sagt Rose. "Oder ob er die Band anschauen kann, wenn sie in eineinhalb Jahren wieder auf Tour kommt."
Reizüberflutung durch Überangebot
Im Herbst 2022 sind viele Clubs voll ausgebucht, weil unzählige Konzerte laufen, die wegen des Lockdowns verschoben wurden. Dazu kommen die Konzerte, die gebucht wurden, als klar war, dass es im Herbst 2022 relativ sicher wieder Konzerte geben wird. Der Konzertkalender ist also prall gefüllt. Gleichzeitig haben viele Stammgäste noch Tickets von abgesagten Shows zuhause. Viele wollen sich einfach nicht mehr mit Rückabwicklungen herumärgern und nutzen nicht mehr den Vorverkauf wie früher, sagt Marco Heinickel, Vorstand vom Kulturhaus Stattbahnhof in Schweinfurt.
Vorverkauf funktioniert nicht mehr
Deshalb werden viele Shows wieder abgesagt, vor allem von Bands aus Übersee. "Viele Konzerte werden momentan abgesagt, weil sich die Leute ihre Tickets nicht mehr wie sonst ein Vierteljahr vorher im Vorverkauf holen", erklärt Marco Heinickel. "Die meisten warten bis zur letzten Minute oder verlassen sich auf die Abendkasse. Das macht es gerade für Bands aus dem Ausland schwer in der Kalkulation, ob sich eine Tour lohnt oder nicht. Gerade für die Amerikaner ist das oft ein zu großes Risiko, dann platzt die Tour."
Hohe Kosten für Material und Personal
Der Vorverkauf ist deshalb so wichtig, weil die Kosten für Tourneen dieses Jahr explodiert sind. Tontechniker verlangen nicht mehr 300, sondern 500 Euro Tagesgage. Nightliner, mit denen die Bands unterwegs sind, kosten nicht mehr 800, sondern 1.200 Euro am Tag. Viele US-Bands verzichten deshalb gerade auf eine Gastspielreise in Europa und gehen lieber in den USA auf Tour. Denn die Probleme durch den britischen Brexit kommen auch noch dazu.
Schwacher Euro problematisch für US-Bands
Merkwürdige Zeiten, sagt auch Brett Rasmussen, Bassist der Band Ignite aus Kalifornien. "Zum einen sind die Spritpreise gerade total verrückt. Der Krieg in der Ukraine hat dieses Problem noch verschlimmert. Außerdem hat der Euro gerade massiv an Wert verloren, das bedeutet für uns 20 Prozent weniger Einkommen", erklärt der Bassist. "Also alles ziemlich schwierig gerade. Dazu kommt, dass die Ausgaben für Material und Personal extrem gestiegen sind. Es ist also eine große Herausforderung für uns."
Steffen Rose von Navigator Productions mit Sitz in Würzburg.
Nicht nur Bands und Besucher sind frustriert, auch die Veranstalter haben nach Corona mit neuen Problemen zu kämpfen. Ähnlich wie die Gastronomie sucht die Konzertbranche dringend nach Fachkräften. Viele Ton- oder Lichttechniker sind nach zwei Jahren ohne Einkommen in andere Branchen abgewandert.
Personalmangel in der Konzertbranche - Ticketpreise steigen
"Wir haben teilweise Shows, bei denen ich zwei Tage vorher noch nicht weiß, wer die Technik betreut. Ich kann ja keinen Techniker zwingen, bei mir zu arbeiten. Die meisten sind ja Freiberufler", sagt Rose. "Zum Glück konnten wir bis jetzt alle Shows irgendwie retten. Aber im schlimmsten Fall müssen wir auch einmal ein Konzert absagen, weil wir keinen Techniker finden, der die Show betreuen kann." 2023 werden vermutlich weniger Konzerte stattfinden, prophezeit Steffen Rose. Außerdem werden wohl die Ticketpreise um 10 bis 15 Prozent steigen, um die Kostensteigerungen für Bands und Veranstalter aufzufangen.
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