Hand am Heizungsthermostat
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Heizung runter, Licht aus - Verzicht als Tugend in der Not?

    Verzicht - aus der Not eine Tugend machen

    Inflation, steigende Preise, ein möglicher Mangel an Gas und Öl - der Ukrainekrieg und die wirtschaftlichen Folgen stellen viele Menschen vor große Herausforderungen. Kann man aus der Not eine Tugend machen? Lässt sich Verzicht lernen?

    Noch eine Woche, dann endet die Fastenzeit. Seit Aschermittwoch verzichten viele Christen auf bestimmte Dinge, um ihren Lebensstil zu hinterfragen und sich innerlich neu auszurichten. Fleisch Alkohol, Süßigkeiten, das lassen viele weg – und nicht nur in der Fastenzeit. Andere versprechen sich mehr Gesundheit vom Verzicht.

    Verzichten für den Frieden: Heizung runter, Licht aus?

    Aktuell ist aber auch der Krieg in der Ukraine Anlass zu verzichten. Eine Straßenumfrage zeigt: Es sind durchaus einige bereit, zugunsten eines Embargos auf russisches Öl und Gas Energie zu verzichten, die Heizung abzudrehen oder das Licht auszuschalten. Doch während die einen so frei sind, freiwillig zu verzichten, können es sich andere schlicht nicht aussuchen. Wer in seiner Dreizimmerwohnung aus Kostengründen ohnehin schon nur im Wohnzimmer heizt, dem fällt weiterer Verzicht schwer.

    Die Klosterschwester: Verzicht kann auch bereichern

    Wer verzichtet, der gewinnt immer auch etwas, weiß Schwester Susanne Aeckerle. Sie ist Mitglied der evangelischen Kommunität Christusbruderschaft im oberfränkischen Selbitz. Die Mitglieder der Kommunität leben nach den so genannten evangelischen Räten: Armut, Keuschheit und Gehorsam.

    Ein Lebensmodell, das auf Dinge verzichtet, die andere für absolut unentbehrlich halten. "Mit einer Lebensentscheidung verzichte ich natürlich immer auch auf andere Dinge", sagt Schwester Susanne. Aber das gelte für jede Lebensentscheidung. "Ob ich jetzt heirate oder ehelos bleibe oder bewusst als Single lebe oder ins Kloster eintrete. Jedes Ja heißt natürlich auch Nein zu etwas Anderem."

    Sozialethiker Vogt: Verzicht als Kunst der Unterscheidungsfähigkeit

    Für Markus Vogt ist Verzicht darum auch wesentlich für ein gelingendes Leben. Das sei so ähnlich wie in der Ästhetik und der Kunst, sagt der Professor für Christliche Sozialethik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Gute Bilder bestehen darin, auch etwas wegzulassen. Nicht einfach alles zu malen."

    Es liege allerdings in der menschlichen Natur, Verzicht möglichst zu umgehen. "Wir sind es natürlich auch gewohnt, uns darüber hinweg zu mogeln im Bewusstsein, dass wir auf etwas verzichten müssen und dass Lebensqualität aber wesentlich zu tun hat mit der Fähigkeit, zu entdecken, was wirklich wichtig ist und anderes wegzulassen", so der Sozialethiker. Wer Verzicht fordere, gelte schnell als Spielverderber. Das könne mitunter sogar politische Karrieren beenden.

    Nicht nur eine Frage des Willens: Maßhalten muss gelernt werden

    Verzichten, maßhalten, das sei vor allem eine Übungsfrage, erklärt der katholische Theologe. "Das Wort Askese heißt ursprünglich Einübung, und das meint ganz wesentlich, dass man Verzicht auch üben muss, beispielsweise Maßhalten im Essen oder im Umgang mit Zeit im Umgang mit Mobilität." In diesem ursprünglichen Sinn einer Einübung, eines Maßhaltens, müsse Verzicht gelernt und gekonnt sein.

    Nicht jeder ist erfolgreich - Verzicht als Herausforderung

    Nicht jeder ist erfolgreich beim Üben von Verzicht, so die Erfahrung von Schwester Susanne Aeckerle von der Kommunität Christusbruderschaft in Selbitz. Es brauche Geduld und Lust zum Ausprobieren. Auf Verzicht müsse man sich einlassen, sagt Schwester Susanne, die in der Christusbruderschaft auch das Noviziat leitet und angehenden Schwestern hilft, sich auf den Lebensstil der Kommunität einzustellen. "Wenn ich mich nicht einlasse, dann werde ich natürlich auch nichts Tieferes erleben", so Schwester Susanne. "Verzicht ist eine Herausforderung."

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