Der russische Ex-General im T-Shirt hinter Glas
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Iwan Popow vor Gericht

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"Verdienste zählen nicht": Putin schickt General ins Straflager

"Verdienste zählen nicht": Putin schickt General ins Straflager

Der bei russischen Militärbloggern und Nationalisten sehr populäre General Iwan Popow wurde wegen "Betrug" zu fünf Jahren Haft verurteilt. Wahrer Grund für seine Abstrafung: Kritik an Putins Militärführung - und Sympathie für Söldnerchef Prigoschin.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"Die wahre Schuld des Generals besteht darin, dass er öffentlich Zweifel an der geistigen Gesundheit der obersten Militärführung geäußert hat", so der kremlkritische Polit-Blogger Anatoli Nesmijan (externer Link) über den aufsehenerregenden Strafprozess gegen Iwan Popow (Kampfname "Spartakus"), den früheren Kommandeur der 58. russischen Armee: "Heute zweifelt er an seinen Vorgesetzten und morgen könnte er womöglich die ihm anvertrauten Truppen aufbieten, um sich Gerechtigkeit zu verschaffen."

Jede Art von Illoyalität müsse "vorbeugend und mit der größtmöglichen Härte" unterdrückt werden: "Verdienste zählen nicht." Politblogger Juri Barantschik seufzte, der Fall sei "natürlich beispiellos" und lasse sich mit "vernünftiger Logik" nicht nachvollziehen.

"Desinformation und Panikmache"

Popow, der bereits im Juli 2023 von seinem Kommando entfernt worden war, war wegen angeblichen "Betrugs im großen Stil" und "Urkundenfälschung" zu fünf Jahren Straflager und einer Geldstrafe von umgerechnet rund 8.000 Euro verurteilt worden. Der Kommandeur soll sich mit Hilfe eines Komplizen an 1.700 Tonnen Stahl, der für den Bau von Befestigungsanlagen vorgesehen war, persönlich bereichert haben. Popow selbst bekannte sich nicht schuldig und behauptete, er werde dafür zur Rechenschaft gezogen, die "Wahrheit gesagt zu haben".

Er machte der Generalität öffentlich schwere Vorwürfe. Die Militärspitze falle Putin mit geschönten Berichten in den Rücken. Generalstabschef Waleri Gerassimow soll ihm daraufhin "Desinformation und Panikmache" vorgeworfen haben. Popow wörtlich: "In diesem Zusammenhang witterten die höheren Offiziere offenbar eine Art Gefahr in mir und fertigten schnell, innerhalb eines Tages, einen Befehl aus, den der Verteidigungsminister unterzeichnete, um mich loszuwerden."

Dazu schrieb der Politologe Georgi Bovt (externer Link): "An wen hat er den Stahl verkauft? Wie viel? Wo hat er das Geld untergebracht? Das ist eine sehr undurchsichtige Angelegenheit. Manche glauben, der wahre Grund sei seine Sympathie für [den bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz verstorbenen Söldnerführer und Putin-Kritiker Jewgeni] Prigoschin."

"Ist die Mafia unsterblich?"

Militärblogger Alexei Schiwow (110.000 Fans) witterte gar Organisierte Kriminalität im Kreml (externer Link): "Im Allgemeinen hat sich in Russland eine seltsame Tradition etabliert. Alle zehn Jahre nehmen sie den moralisch unbescholtensten, umgänglichsten und bei Volk und Kameraden beliebtesten, im Kampf erprobten Offizier fest und drehen ihn öffentlich durch den Fleischwolf des Justizsystems, mit allen entsprechenden Begleiterscheinungen, einschließlich der Aberkennung von Dienstgraden und Orden."

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Gleichzeitig würden Offiziere und Militärs, "die der Armee und dem Land irreparablen Schaden zugefügt" hätten, mit der gleichen Intensität stets zu den mildesten Strafen verurteilt": "Ist die Mafia unsterblich?"

"In Schützengräben alle Plätze besetzt"

Bemerkenswert, dass Popow, der seine Strafe zur Bewährung an der Front abbüßen wollte, dafür keine Genehmigung bekam, und zwar mit der bizarren Begründung, es gebe "keine freien Stellen" (externer Link). Dazu hieß es in einem der größten Militärblogs mit 1,23 Millionen Nutzern: "Offenbar verfügen wir über 'viele' kampferprobte und angesehene Generäle in der Truppe, da wir im vierten Kriegsjahr so ​​viel Personal vergeuden können."

Politologe Andrei Nikulin höhnte: "Auf diese Weise erfuhren wir, dass in den Schützengräben an der Front bereits alle Plätze besetzt sind." Auf einem weiteren Telegram-Kanal war zu lesen: "Für die russischen Streitkräfte spielte die verbesserte Lage an der Front eine Rolle. Wären sie dort gescheitert, hätte man Popows Warnungen ernster genommen."

"An Diamanten klebt keine Scheiße"

Die Wogen gehen bei den russischen Ultrapatrioten so hoch, dass TV-Propagandist Alexander Sladkow seine 850.000 Fans anflehte (externer Link): "Das Schicksal [Popows] ist hart, aber es bedeutet nicht das Ende seines Lebens. Ich halte es für schädlich, die Entscheidung einer Justizbehörde zu kommentieren und die Situation eskalieren zu lassen." Sladkow hält die Beschuldigungen gleichwohl für substanzlos und sprach von einem "politisch vergifteten" Thema: "An Diamanten klebt keine Scheiße."

In Leserkommentaren hieß es (externer Link): "Unter Stalin gab es kein derartiges Chaos! Zumindest hätte er nicht nur den Verteidigungsminister, sondern gleich den ganzen Generalstab erschießen lassen." Ein anderer meinte: "In Russland werden nur ehrliche Leute vor Gericht zerstört, Kriminelle werden freigesprochen."

Popow meinte zu seinem Fall im Gerichtssaal gegenüber den Journalisten: "Selbst wenn der Sturm das Wasser aufpeitscht, denkt stets daran, der Leuchtturm seid ihr."

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