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"Fegefeuer der Eitelkeiten": Tom Wolfe ist tot

"Fegefeuer der Eitelkeiten": Tom Wolfe ist tot

Er war der Mitbegründer des "New Journalism" der 60er Jahre: Die Mischung aus Literatur und Reportage machte Geschichte. Jetzt ist Tom Wolfe mit 88 Jahren in New York gestorben. Er war wie sein Roman "Ein ganzer Kerl" (1998). Von Peter Jungblut

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Die "New York Times" nannte ihn einen verbalen Feuerwerker, der in "Technicolor" über alles schrieb, was in Amerika als glanzvoll und cool galt: Kalifornische Surfer, heldenhafte Astronauten, eitle Autohändler und ruhmreiche Broker. Das "Fegefeuer der Eitelkeiten", der Roman über den Börsen-Wahnsinn der Reagan-Jahre, machte Schlagzeilen. 1987 hatte sich Tom Wolfe, der immer perfekt gestylte Literat aus New York, die geldgierige Szene der Banker und Broker vorgeknöpft. Die Verfilmung von Brian de Palma war zwar umstritten, das Buch jedoch zählt bis heute zu den markantesten Beschreibungen der achtziger Jahre in den USA. Auch im Roman "Ein ganzer Kerl" geht es um einen kapitalistischen Macher: Hauptfigur Charles Croker ist Immobilienhai in Atlanta. Er geht pleite und kämpft um seinen Status, inmitten von drohenden Rassen-Unruhen nach der angeblichen Vergewaltigung einer reichen Erbin durch einen schwarzen Sportstar. Hier sind alle US-Themen der aktuellen Zeitgeschichte gebündelt: Geld, Macht, Standesdünkel und Medien-Wahnsinn.

Wenig anfällig für Hippie-Zeit

Der immer leicht blasierte, in Seidenhemden und perfekt sitzenden Maßanzügen auftretende Wolfe wurde in Richmond/Virginia geboren und wollte eigentlich Baseball-Star werden. Ein Probetraining verlief allerdings nicht gut genug, er verlegte sich auf das Studium der Literatur in Yale, wo er eine Doktorarbeit über den "kommunistischen Einfluss" im amerikanischen Schriftstellerverband schrieb. Zunächst ging Wolfe in den Journalismus, war für die New York Herald Tribune tätig und die Washington Post. Große Reportagen folgten, etwa über die Reise einer Flower-Power-Kommune quer durch die Vereinigten Staaten von San Francisco nach New York. Selbst war Tom Wolfe wenig anfällig für die politischen Hypes der Hippie-Zeit. Im Gegenteil, er machte sich lustig über wohl situierte Weiße, die sich damals für die rebellische Black Panther-Bewegung engagierten. Auch das Pathos der Raumfahrt teilte Wolfe nicht: Er beschrieb den wenig glamourösen Alltag von Testpiloten und Astronauten ("Der Stoff aus dem die Helden sind").

Sprache als wichtigste Kulturleistung

1990 recherchierte Tom Wolfe im Silicon Valley über Robert Norton Noyce, den Mitbegründer einer Halbleiterfirma und dortigen Bürgermeister. Zuletzt erschien 2004 Wolfes Roman "Ich bin Charlotte Simmons", einer Universitäts-Geschichte. Mit viel trockener Ironie berichtet der Autor über die Oberflächlichkeit der Studenten, denen alles wichtiger als ihre Fächer, vor allem Sex, Sport, Partys und Mode. Im Sachbuch "Königreich der Sprache" (2017) räumte Wolfe abermals mit Mythen auf, diesmal mit eingebildeten Forschern wie Charles Darwin und Noam Chomsky. Wolfe vertrat die Ansicht, dass die Sprache die erste und wichtigste kulturelle Leistung des Menschen war und nichts mit der Evolutionstheorie zu tun hat. Wolfe lebte seit 1962 in New York. Er starb im Krankenhaus an einer Infektion.