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"Suff" von Thomas Vinterberg und Mogend Rukov im Theater an der Josefstadt (Sona MacDonald)

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Uraufführung: "Suff" von Thomas Vinterberg in Wien

Was machen sie eigentlich, diese immer top gekleideten, top geschminkten, interessierten, belesenen Frauen, wenn die Männer schon gestorben und die Kinder längst ausgezogen sind? Trinken! Christoph Leibold hat gesehen, was dabei herausgekommen ist.

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Ja, darf denn das sein? Ist ein derart ungeniertes Prosit auf den Alkohol nicht verantwortungslos? Nein, geh bitte, woher denn? Schließlich hat das Theater seinen Ursprung in den Dionysien. Die waren auch nichts für Abstinenzler. Und so weckt der Titel von Vinterbergs Stücks – "Suff" – die schönsten Erwartungen, dass dies keiner jener Theaterabende wird, die man sich hinterher schön trinken muss. Kein Alkohol ist bekanntlich auch keine Lösung. Oder, wie es an entscheidender Stelle im Stück heißt:

Besäufnis trotz Spaßbremse

Und so erleben wir vier Damen der besseren Wiener Gesellschaft die sich regelmäßig treffen - nicht zum Kaffeekränzchen, sondern um sich die Kante zu geben. Wenn es sein müsste, würden sie alle Männer unter dem Tisch trinken, nur liegen die bereits unter der Erde, die Damen sind Witwen. Eine von ihnen, Hedwig, hat immerhin einen Sohn. Der allerdings ist der stocknüchterne Gegenentwurf zu seiner meist sternhagelvollen Mutter. Jakob ernährt sich gesund, kümmert sich um seine Kinder, treibt Sport - eine dröge Keine-Macht- den-Drogen-Spaßbremse.

Leider ist Jakob kein ernstzunehmender Gegenspieler für Hedwig und ihre Freundinnen, erst recht nicht so wie Martin Niedermair ihn spielen muss in Alexandra Lietdkes Uraufführungs-Inszenierung: als humorlosen Klemmie, der stets einen Fahrradhelm und peinliche Pullover trägt und dabei aussieht wie ein aus dem Nest gefallenes Küken mit Eierschale auf dem Kopf und frühem Federflaum. Die Sympathien liegen eindeutig auf Seiten der Säuferinnen, die hier lockerer, lässiger und vor allem: lustiger sind.

Bemühte Trinker-Tragödie

Das ist kein moralisches Problem, aber ein dramaturgisches. Es geht nicht darum, dass dieser Abend inszeniert sein müsste wie der Warnhinweis auf einer Zigarettenschachtel: Achtung Alkohol ruiniert Ihre Gesundheit und Familienverhältnisse! Wie gesagt: Rausch im Theater, ja bitte, nur her damit! Wir brauchen unbedingt mehr von dem Stoff im Theater, der süchtig macht. Wahre Größe hat der Suff aber nur, wenn bereits im alkoholischen Höhenflug das Wissen um den Absturz präsent ist. Dieser Abgrund jedoch fehlt dem Stück wie der Inszenierung. Sona MacDonalds Hedwig hat zwar ein paar Momente verzweifelter Reue, weil sie ihren Sohn durch den Alkohol von sich treibt. Doch bleiben ihre Verlustängste schwer nachzuvollziehen angesichts dieser Witzfigur von Sohn. Die Trinker-Tragödie einer Frau, die sich entscheiden muss zwischen Fusel und Familie, gibt das Stück jedenfalls so nicht her.

Süffige Pointen

Regisseurin Alexandra Liedtke ist es durchaus hoch anzurechnen, dass sie den Abend trotzdem nicht auf Boulevard bürstet. Die Bühne von Raimund Orfeo Voigt ist eine Kopf stehende Altbau-Wohnung. Der Stuck von der Decke klebt am Boden. Das ist hübsch. Hedwig und ihre Freundinnen scheinen dennoch jederzeit orientiert, wo oben und unten ist. Wenn Sona MacDonald torkelt, wirkt es immer noch wie ein Tänzeln. Es ist ein sehr gepflegtes Besäufnis, dem sie und ihre Freundinnen sich hingeben. Die grauen Föhnfrisuren sitzen perfekt, modisch kommen diese Schnapsdrosseln wie aus dem Ei gepellt daher. Und so bleiben am Ende doch in erster Linie ein paar süffige Pointen in Erinnerung. Die kann man durchaus genießen, und am Ende reicht es dazu, dass man das Theater ein klein wenig beschwipst verlässt. Nur berauscht - ist man halt eher nicht.