Siggi Zimmerschied
Bildrechte: Dr. Christian Pacher

Siggi Zimmerschied

  • Artikel mit Audio-Inhalten

Unverhohlen anti-woke: Das neue Programm von Sigi Zimmerschied

Er ist der wohl bissigste unter den bayerischen Kabarettisten. In "Dopplerleben" nimmt Sigi Zimmerschied die politische Korrektheit aufs Korn. Er rechnet dabei auch mit der quasi-religiösen Selbstgerechtigkeit vieler Aktivisten ab.

Mit der Aktenmappe unterm Arm steht er da, dieser Hans Doppler, die Bühnenfigur von Sigi Zimmerschieds neuem Programm. In Klarsichthüllen abgeheftet präsentiert er Ausweise, Urkunden und Atteste. Alle fake:

"Die vier Säulen einer deutschen Karriere: Gesundheit vortäuschen, Wehrbereitschaft signalisieren, Machtwillen bekunden und die Bereitschaft bekunden, den Sozialstaat zu schröpfen. Impfausweis, Waffenschein, Parteibuch, Behindertenausweis." Sigi Zimmerschied als "Doppler"

Der Mensch als Fälscher

Doppler ist Fälscher in der zwölften Generation, wie er stolz erzählt. Der Großvater zum Beispiel hat Entnazifizierungs-Bestätigungen gefälscht, Geschichtsklitterung auf individueller Ebene sozusagen. Kurzum: Da ging's noch richtig um was! Dagegen nimmt sich der Handel mit falschen Impfausweisen, den Hans zuletzt betrieb, ein paar Nummern kleiner aus. Aber auch das Geschäft läuft gerade nicht mehr so gut. Hans hält mit Schnäppchenpreisen und anderen Kaufanreizen dagegen.

Ihn interessiere vor allem die menschliche Existenzmöglichkeit, die der Fälscher verkörpere, sagt Zimmerschied im Interview. "Jeder fälscht sich die Wirklichkeit zurecht wie er's braucht. Und dieser Haltung, der gehe ich nach."

Zimmerschied kritisiert "Verlogenheit" im Umgang mit Diversität ...

Wo man also hinschaut: Lauter falsche Fuffzger! Hochstapler und Heuchler, überall mehr Schein als Sein. Auch Hans Doppler ist so einer. Eigentlich ein Chauvinist der uralten Schule, verliebt er sich ausgerechnet in die achtsame Aktivistin Amelie, deren Foto er immer wieder aus der Brusttasche nestelt. Um bei Amelie zu landen, täuscht Hans regelmäßig Meinung und Moral vor, die er eigentlich nicht teilt, mitunter am Rande der Selbstverleugnung.

Für Amelie wird Hans Doppler quasi selbst zur Fälschung. Seine Strategie, bestimmte Haltungen zu heucheln, um dem Zeitgeist zu entsprechen, ist ein Phänomen, das Sigi Zimmerschied gegenwärtig vielerorts beobachtet. Zum Beispiel bei der Besetzungspolitik in Film und Fernsehen. Er könne sich bis in die 1990er an wenige Filme erinnern, in denen Transsexualität oder queeres Leben thematisiert worden wäre, so Zimmerschied. "Schon der Homosexuelle war damals ein Problem. Und jetzt plötzlich – von 0 auf 100 – braucht jede einen, damit er im Zeitgeist mitschwimmen kann. Das ist für mich eine Form von Verlogenheit, die ich auch nicht aushalte."

... und die angeblich "rigorosen Weltbilder" von Aktivistinnen und Aktivisten

"Dopplerleben" ist ein Programm über Scheinheiligkeit und – darauf spielt der Titel schon an – Doppelmoral. Wenn Sigi Zimmerschied dabei über die Vorkämpfer für Diversität und Gendergerechtigkeit oder über Klimaschützerinnen herzieht, könnte man auf die Idee kommen, er sei reaktionär geworden. Doch weit gefehlt. Als junger Kabarettist hat sich Zimmerschied an der katholischen Kirche und ihrem verklemmt-verquer-verlogenen Moralanspruch abgearbeitet. Nun rechnet er mit einer neuen Form der Bigotterie ab: mit der quasi-religiösen Selbstgerechtigkeit vieler Aktivisten.

Von "rigorosen Weltbildern" spricht Zimmerschied im Interview. Weltbilder, die wenig Flexibilität erlauben würden und deshalb nicht nur gefährlich seien, sondern auch diejenigen verschrecken würden, die sich mit den aktivistischen Anliegen eigentlich solidarisieren wollten.

Ein Programm getragen von "heiligem Zorn"

Gegen spaßbefreite Moralapostel wettert Sigi Zimmerschied als Kabarettist allein schon aus Selbstschutz. Grundlange seiner Kunst ist die Ironie. Eine Form des uneigentlichen Sprechens. Zimmerschied nimmt es in Kauf, missverstanden zu werden bei der wachsenden Zahl derer, die es verlernt haben, Ambivalenz auszuhalten. Er hat ganz offenkundig keine Lust, den politisch korrekten Säulenheiligen des Kabaretts zu spielen, der es sich in seiner Popularität bequem macht und den Leuten leicht, ihn zu vergöttert. Wenn schon heilig, dann ist es ein heiliger Zorn, der ihn antreibt. So entwickelt er in "Dopplerleben" eine immense Wucht. Hochachtung dafür. So stark war nicht nur Sigi Zimmerschied selbst schon eine Weile nicht mehr. Das hat ganz allgemein Seltenheitswert in der Kabarettszene.

Verpassen war gestern, der BR Kultur-Newsletter ist heute: Einmal die Woche mit Kultur-Sendungen und -Podcasts, aktuellen Debatten und großen Kulturdokumentationen. Hier geht's zur Anmeldung!