Bildrechte: Antje Voigt/Altes Museum Berlin

Plakette, Buchsbaumholz, Durchmesser 10,5 cm, Hans Schwarz, Augsburg, um 1520

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Unter Kannibalen: Ausstellung "Fleisch" im Alten Museum Berlin

Fleisch lässt niemanden "kalt", das stellten auch die jungen Mitarbeiter der Staatlichen Museen zu Berlin fest, als sie auf der Suche nach einem Thema für eine gemeinsame Sommerausstellung waren. Es geht um Kult, Kost und Körper. Von Simone Reber

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Nach dem Match wurden die Spieler enthauptet. Die kleine Skizze, die dem Feuersteinmesser aus Mittelamerika beigelegt war, sieht aus wie eine Bedienungsanleitung. Erst wurde das Opfer geköpft, dann seine Brust geöffnet und das Herz den Göttern dargeboten. Unklar ist, ob Sieger oder Verlierer des rituellen Ballspiels sterben mussten, ob die Stärksten oder die Schwächsten verspeist wurden. „Fleisch“ ist in der kompakten Ausstellung im Alten Museum zu Berlin auch Menschenfleisch. Allerdings stellt die Schau die koloniale Sicht auf die wilden Kannibalen in Frage. Kannibalismus war Teil eines ausgefeilten religiösen Kultes, erklärt die Kuratorin Anika Reinecke vor einer elegant geschnitzten Fleischgabel von den Fidschi-Inseln.

"Diese Gabel wurde auch in kultischen Kontexten dazu benutzt, Leichenfleisch zu essen, in kleinen Stücken, sehr ritualisiert. Sie war vor allem für die hohen Schichten der Gesellschaft vorgesehen, weil die durften keine Nahrung anfassen, und mit dieser Gabel konnte das Fleisch in den geöffneten Mund gelegt werden." Anika Reinecke

"Menschenopfer Hostie"

Direkt daneben steht eine prächtige Monstranz. Der Goldschmied Thomas Bogaert hat sie 1629 gefertigt. Im Innern tragen zwei Engel die Mondsichel, in der zur Fronleichnamsprozession die Hostie befestigt war, das Symbol für den Leib Christi.

"Uns war wichtig, auch diesen christlichen Glauben, in dem der Leib Christi eine ganz große Rolle spielt und die Einverleibung Christi durch die Gläubigen in dem sie das Brot, also die Hostie, essen und den Wein trinken, der ja Christi Blut darstellt. Und das ist ja auch ein, wenn auch symbolischer Akt der Anthropophagie, das letzte Menschenopfer, um die Menschheit zu retten und die Hostie und die Monstranz feiert ja genau das." Anika Reinecke

Grundfarbe ist "ferkelpink"

Die Grundfarbe der Ausstellung aber ist ferkelpink, denn der Hauptdarsteller neben dem Menschen ist das Schwein, das vor dem Islam auch in Mesopotamien wichtigster Fleischlieferant war. In Uruk hat ein Schreiber vor rund 6000 Jahren 58 verschiedene Schriftzeichen für Schwein auf eine Tontafel notiert. Bis in griechisch-römische Zeit galt das Schwein nicht als unrein, sagt der Kurator Thomas Hintermann.

"Sondern, dass auch das Blut von Ferkeln beim Tieropfer verwendet wurde, um Altäre zu reinigen. Das junge, das unschuldige Tier, das dazu verwendet wird, um diese kultische Reinigung durchzuführen." Thomas Hintermann

Gedichte auf verwesendem Hammelfleisch

Eiserne Votivschweine aus Aigen am Inn belegen, dass die Tiere bis ins 20. Jahrhundert in die Gebete eingeschlossen wurden. Mit großer Lust an der Provokation spielen die Volontärinnen und Volontäre der Staatlichen Museen zu Berlin mit dem schillernden Aspekt des Fleisches, mit Lust und Ekel. An die Nieren geht die Dokumentation von der Schlachtung eines Zickleins. Bei Dieter Roth glänzen die Buchseiten seiner Poemetrie Nr. 4 zartrosa. Der Künstler hat sein Gedicht auf verwesendes Hammelfleisch gedruckt.

"Die Restauratorin hat uns wirklich gesagt, bei der Restaurierung hätte sie viermal die Kleider gewechselt, weil es wirklich so gestunken hat. Und das ist wirklich das Objekt, das das Ursprünglichste an Ekel hervorruft." Anika Reinecke

Unrasierter Mann mit Bratwurst

Beim Fleisch gehen Tabu und Ekel mit der Furcht vor der eigenen Vergänglichkeit einher. Dagegen hilft auch Völlerei nicht. Wenig appetitlich wirkt die antike Darstellung einer Orgie des Dionysos. Dem Sohn der Demeter hängen dicke Speckschwarten vom Rücken. Das Gelage der Gegenwart findet an der Würstchenbude statt. In einer Fotoserie von Abisag Tüllman beißt ein unrasierter Mann in eine fettige Bratwurst. Am Ende bleiben nur noch die zerknüllte Serviette und der senfverschmierte Pappdeckel. Armes Schwein!

Bis 31. August im Alten Museum Berlin.