Konzerthaus und Museum: Das Haus der ungarischen Musik in Budapest, mitten im Stadtpark
Bildrechte: Wolfgang Vichtl. ARD-Studio Südosteuropa

Unter 30.000 goldenen Blättern: Das "Haus der ungarischen Musik" in Budapest

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Unter 30.000 goldenen Blättern: "Haus der Musik" in Budapest

Mit dem "Haus der ungarischen Musik" in Budapest will das von Viktor Orbán regierte Land glänzen. Dennoch ist es kein riesiges Denkmal geworden. "Klein, aber fein" sagt Direktor András Batta. Und überzeugt damit sogar Kritiker.

Am besten immer den Ohren nach, dahin, wo die Musik spielt. Denn zu sehen ist das neue Haus fast nicht. Aber auf dem Spielplatz, vor dem mit Architekturpreisen ausgezeichneten "Haus der ungarischen Musik" trommeln Kinder, machen schräge Töne mit Spielinstrumenten. Leben im Budapester Stadtpark, wo vor einiger Zeit noch alte Expo-Gebäude vor sich hin moderten.

Darf's mehr Gold sein?

Das neue Schmuckstück: Auf schlanken Säulen, der Konzertsaal komplett verglast, zugedeckt nicht mit einem Dach im herkömmlichen Sinn, sondern eher einem Deckel wie bei einem übergroßen Pilz, durchlöchert, als wäre er angenagt. Bäume mit frischem Frühlingsgrün wachsen durchs Dach. An der Unterseite: 30.000 goldene Blätter. Man denkt, man steht im Wald. Und von innen? Der Blick auf die Musiker und die Bäume dahinter, die gläsernen Wände fangen den ganzen Stadtpark ein.

So etwas hat Budapest noch nie gesehen

"So ein Gebäude hat man in Budapest noch nie gebaut. Budapest ist keine moderne Stadt. Die schönsten Gebäude sind noch von der vorletzten Jahrhundertwende", sagt Professor András Batta, der Direktor des "Hauses der ungarischen Musik". Sonst tickt Budapest anders, seit Jahrhunderten. Gerade eben wurde die alte königliche Oper in Budapest renoviert, ein Rausch in Gold, geklotzt als Prunkbau im Wettbewerb der K-und-K-Metropolen. 1884. Sie durfte damals nur nicht größer werden als die Wiener Oper. Und jetzt dieses kleine "Haus der Musik" - in Viktor Orbáns Ungarn, 2022. Direktor Batta lacht laut und herzhaft: "Klein, aber fein! Ja!"

Bildrechte: Wolfgang Vichtl, ARD-Studio Südosteuropa

"Klein, aber fein!" - Direktor András Batta im Konzertsaal, alle Wände aus Glas, doch trotzdem mit bester Akustik.

Ein Himmel aus 30.000 goldenen Blättern

András Batta arbeitet im wohl ungarnweit schönsten Büro, auch klein, aber mit Dachterrasse zum Stadtpark. Vieles ist auch hier goldfarben, trotzdem wirkt es nicht protzig. Im zweiten Anlauf habe er den japanischen Star-Architekten Sou Fujimoto überzeugen können, dass die Ungarn doch ein bisschen goldener mögen. 30.000 streng-stilisierte Blätter – goldfarben – wölben sich jetzt als Deckenhimmel über die Besucherinnen und Besuchern. Davor war die Decke japanisch in kühlem Weiß geplant. Die Blätter, ein Zitat aus der ehrwürdigen Franz-Liszt-Musikakademie in Budapest. Professor Batta war zuvor dort der Direktor.

Der Liszt-Experte wurde zum Freddie-Mercury-Fan

Batta: Ein Mann der Klassik, stolz auf große ungarische Musiker: Franz Liszt, Béla Bartók, zum Beispiel. Die Ungarn waren immer schon musikbegeisterter als andere, sagt Batta. Aber hier im "Haus der ungarischen Musik" soll es international zugehen. Deshalb spricht er lieber vom "Haus der Musik" – und bleibt nicht bei klassischer Musik stehen: "Sie werden lachen" – und Batta macht den Eindruck, als hätte er sich das selbst nicht zugetraut: "Meine größte Entdeckung waren Freddie Mercury und Queen. Ich habe immer Mozart und Bach und Schubert und Beethoven gehört – die Musik der Zeit hat mich nie so sehr interessiert."

Bach und die "Bohemian Rhapsody"

Das Programm hier im Haus hat auch ihm die Ohren geöffnet. Sein Lieblingstitel von Mercury und "Queen"? "Bohemian Rhapsody". Nicht ungarisch, schon klar, aber es klingt nach Osteuropa. Wichtiger, Battas Kompliment an den Glamrock-Star: "Der hätte auch Opernsänger sein können, mit dieser Stimme." Hier im Haus der Musik will András Batte musikalisch und akustisch Grenzen überwinden. "Wir spielen alles!", sagt er – und führt mich in den Keller.

Im Keller gibt's den "Sound Dome", man lümmelt auf bequemen Sitz-Säcken und versenkt sich eine Stunde in Improvisationen nach John Cage. Live: Trompete, Posaune, Keyboards – und drei junge Männer am PC, für die Lichteffekte in der Dom-Kuppel.

Zum Mitspielen

Daneben im Untergeschoss: Das Musik-Museum, das zum Mitspielen lockt. András Batta streicht über Metall, erzeugt so Töne. Das Kind im 68-jährigen Direktor erwacht – er singt in einen Trompeten-Trichter, erzeugt so ein buntes Farbenspiel auf der Leinwand vor ihm: "Freude schöner Götterfunke" Die Texte von Freddie Mercury muss er noch üben.

An den Museums-Wänden hängen vermeintlich alte Schinken mit Musikanten aus dem Mittelalter, die plötzlich sehr beweglich werden und vorspielen. Ältere Kinder kennen das aus den Harry-Potter-Filmen, wenn Dich die Figuren aus den Gemälden plötzlich verfolgen.

Alles nur für Ruhm und Ehre Viktor Orbáns?

Das Museum: Eine Zeitreise durch die ganze Musikgeschichte. Ja, auch mit ungarischem Nationalstolz, aber viele High-Tech-Effekte lenken ab, ziehen an, "tümelnd" ist anders. Sagen inzwischen auch ehemalige Kritiker des Vorzeigebaus, mit dem Ungarn glänzen will – das heißt, vor allem Ungarns nationalpopulistischer Ministerpräsident Viktor Orbán, der noch mehr vorhat im wiederentdeckten Stadtpark.

Auch der Kritiker sagt: "Großartig"

András Török gehört zur intellektuellen Elite in Budapest, in seiner "Bubble", sagt er, sehe man Orbáns nationales Getöse mit Misstrauen. Mit dessen "Liget Budapest Projekt" im Stadtpark sollen Denkmäler gesetzt werden – gleich nebenan entsteht das neue "Museum für Völkerkunde" – architektonisch stark, monumental – vor allem. Aber über das neue "Haus der Musik" will Török nichts kommen lassen: "I like it very much", sagt er, er mag es sehr gern, es sei ein großartiges Gebäude.

"Ein Haus in Ungarn für Ungarn"

Täglich radelt er daran vorbei, auf dem Weg zu seiner Mutter. Auch schon als das Haus im Park noch eine Baustelle war. Zum ersten Mal in Budapest seit langer Zeit wieder wirklich internationales Niveau, sagt er – außen und innen – originelles Design. Und die Ausstellung: Wundervoll. Er werde mit seinen Enkeln wiederkommen. Zu ungarisch? Török hebt die Augenbrauen. Warum? Es sei ein Haus in Ungarn für Ungarn.

Und wo gibt's den besten Espresso?

Die Besucher, nicht nur aus Ungarn, sehen das auch so. Matthias hat seinen Sohn Marcel in den "Sound Dome" mitgenommen, der fand es toll: "Echt gut. Auch das ganze Haus. Ziemlich gut – eigentlich: sehr gut." Vater Matthias bedauert nur: "Wir haben noch gar nicht alles gesehen"

Sie gehen ungern wieder weg, von diesem Ort. Sie können sich Zeit lassen. Im Café im Haus der Musik gebe es den besten Espresso der Stadt, lockt Direktor András Batta. Na dann – viszontlátásra! Auf Wiedersehen.

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