Am 18. Mai 2023 hat der UNESCO-Exekutivrat die Entscheidung getroffen, den Behaim-Globus als ältesten erhaltenen Globus der Welt in das Register "Memory of the World" einzutragen. Für Wissenschaftler, Kunstliebhaber und Historiker war dies eine Sensation, die Freude in Nürnberg groß. Die besondere Auszeichnung wird nur Objekten zuteil, die nach Ansicht des Rates für die Menschheitsgeschichte von außergewöhnlichem Wert sind.
Große Freude im Germanischen Nationalmuseum
Der Globus misst rund 51 Zentimeter Durchmesser und ist über 500 Jahre alt: Gefertigt wurde der Erdball 1492 als Gemeinschaftswerk der Nürnberger Handwerkselite. Zuvor hatte der Seefahrer und Handelskaufmann Martin Behaim die Herstellung initiiert, er diente auch als Namensgeber. Im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, wo die Weltkugel ausgestellt ist, freut man sich sehr über den Titel: "Großartig", sagt der Generaldirektor Daniel Hess. "Das ist eines der schönsten Geschenke, die ich mir für Nürnberg und für das Germanische Nationalmuseum vorstellen kann."
Der Globus, so der Direktor weiter, sei für sein Museum ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. "Es ist eine riesengroße Chance für den Globus, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen", freut sich auch Susanne Thürigen. Sie leitet die Sammlung der wissenschaftlichen Instrumente, zu der auch der Behaim-Globus gehört. Sie hofft vor allem auf viele Besucherinnen und Besucher.
"Als er fertiggestellt war, war er quasi schon überholt"
"Er ist ein unglaublich spannendes Objekt, denn als er fertiggestellt war, war er quasi schon überholt", sagt Hess und blickt durch die Scheibe des Glaskastens auf den Erdball. Denn der Globus zeige zwar Europa, Asien und Teile von Afrika weitgehend so, wie wir sie heute kennen - Amerika fehle aber ebenso wie Australien jedoch komplett. Etwa zeitgleich zur Fertigung des Globus versucht Christoph Kolumbus einen Seeweg nach Asien zu finden und es kommt zur vermeintlichen "Entdeckung" von Amerika. Wissen, das auf dem Globus nicht mehr berücksichtigt worden konnte.
3D-Modelle der Welt waren eine Neuheit
Zwar war den Menschen im 15. Jahrhundert durchaus bewusst, dass die Erde eine Kugel ist, doch alle Länder und Meere kannten sie bisher vor allem als flache Karten. Ein Globus, hergestellt aus Pergament, Papier und Leinenstreifen, war doch eine kleine Revolution: "Wir sehen hier an die 12.700 Inseln, die Marco Polo überliefert hat", sagt Hess und zeigt auf den Globus. "Die sind erst real, wenn sie uns im Bild erscheinen, das heißt, dass es auch ein Stück weit den Wunsch gab, die Welt als Kugelgestalt sehen und erleben zu können."
Fundorte von Gold und Edelsteinen markiert
Doch der Handelskaufmann Martin Behaim habe durch die Schaffung des Globus in erster Linie wirtschaftliche Interessen verfolgt, erklärt Sammlungsleiterin Thürigen, die im Germanischen Nationalmuseum die Sammlung der wissenschaftlichen Instrumente leitet. Sie vermutet, "dass er die Nürnberger Handelshäuser und Kaufleute dazu einladen wollte, in Expeditionen zu investieren. Das kann man daran ablesen, dass wir auf dem Globus wirklich eine ganze Reihe an Informationen über Rohstoffe und Gewürzvorkommen haben", so Thürigen. Die Fundorte von Gold, Edelsteinen, Moschus, aber auch von Ambra, einem Sekret des Pottwals, sind auf dem Erdapfel markiert.
Fabelwesen mit riesigen Füßen
Doch nicht nur wirtschaftliche Ressourcen sind auf dem Globus vermerkt. Eine Elefantenherde, eine Echse und eine Schlange zieren den Erdball ebenso wie Fabelwesen, an deren Existenz man damals tatsächlich glaubte: "Da gibt es zum Beispiel die sogenannten Skiapoden, die Schattenfüßler, im Süden von Afrika, die sich mit ihren Füßen Schatten gespendet haben", sagt die Wissenschaftlerin und zeigt auf eine kleine Zeichnung eines menschenähnlichen Wesens mit einem riesengroßen Fuß.
Vermeintliche Restaurierungsversuche in der Vergangenheit
Im Germanischen Nationalmuseum steht der Globus aus gutem Grund in einer eher dunklen Ecke, denn zu viel Licht würde ihm schaden. Ohnehin befindet sich der älteste Globus der Welt nicht im besten Zustand und vermeintliche Restaurierungsversuche seit dem 17. Jahrhundert haben ihm zugesetzt. "Er wurde beispielsweise mit Leinöl bestrichen, das hat für so eine starke Nachdunklung gesorgt. Eigentlich hatten wir hier ein schönes hellblaues Meer", so die Expertin.
Digitale Version soll Museumsbesucher locken
Damit Besucherinnen und Besucher trotz der dunklen Ausstellungsecke möglichst viel vom Erdball zu sehen bekommen, bietet das Museum seit Kurzem eine digitale Version der Kugel. Dort ist jedes Detail gut erkennbar, per Klick lassen sich zu den Menschenwesen, den Tieren und Länderwappen Infos abrufen. Für diesen digitalen Nachbau wurde der Globus bereits 2011 hochauflösend fotografiert.
Weltdokumentenerbe gibt es seit 1992
Das UNESCO-Programm zum Weltdokumentenerbe wurde 1992 ins Leben gerufen. Ziel des 1997 im Rahmen des Programms gestarteten internationalen Registers ist es, dokumentarische Zeugnisse von außergewöhnlichem Wert in Archiven, Bibliotheken und Museen zu sichern, zugänglich zu machen und auf deren Bedeutung hinzuweisen. Vorschläge aus Deutschland für das internationale Register werden durch das deutsche Nominierungskomitee für das Weltdokumentenerbe geprüft, bewertet und ausgewählt.
Das Weltdokumentenerbe vereint Buchbestände, Handschriften, Partituren, Bild-, Ton- und Filmaufnahmen, die kulturelle Wendepunkte der Menschheitsgeschichte markieren. Darunter sind Dokumente wie die Gutenberg-Bibel, die Goldene Bulle oder die Himmelsscheibe von Nebra. Neben dem Behaim-Globus des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg und dem Codex Manesse der Universitätsbibliothek Heidelberg wurden Dokumente zur Geschichte der Hanse in das Register eingeschrieben, die in Belgien, Dänemark, Estland, Lettland, Polen und unter anderem im Archiv der Hansestadt Lübeck bewahrt werden. Ebenfalls wurden Handschriften aus der Hofschule Kaiser Karls des Großen aus der Stadtbibliothek Trier sowie aus Bibliotheken in Frankreich, Großbritannien, Österreich und Rumänien zum Weltdokumentenerbe erklärt.
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