Vermutlich kommt keine Würdigung Paul Maars ohne Hinweis auf das phantastische Wesen aus, das seit 1973 in den Büchern und damit auch in unendlich vielen Kinderzimmern für fröhliche Unruhe sorgt: das Sams, das an einem Samstag in den Alltag des schüchternen, allzu braven Angestellten Bruno Taschenbier stolpert und ihn fortan beständig ermuntert, die Welt einmal in einem anderen Licht zu sehen. Und endlich einmal zu widersprechen. Dem ersten Sams-Buch ("Eine Woche voller Samstage") folgten viele weitere, auch mehrere Verfilmungen. Gerade ist mit der Geschichte "Das Sams und die große Weihnachtssuche" ein weiterer Band erschienen.
Viel mehr als nur der Sams-Autor
Paul Maar, geboren am 13. Dezember 1937 in Schweinfurt, blickt durchaus mit gemischten Gefühlen auf die Figur mit roten Haaren, Rüsselnase und Wunschpunkten. Er ist dankbar für den Erfolg, den ihm die vielen Sams-Bücher beschert haben. Gleichzeitig möchte er – in der literarischen Öffentlichkeit und damit auch in der Kritik – nicht nur auf diese einzige Figur beschränkt werden. "Ich möchte eigentlich der Autor sein, ein Kinderbuchautor", sagt Paul Maar. "Ich bin immer nur der Sams-Autor. Das klebt an mir."
Und es gibt in der Tat sehr viel zu entdecken jenseits der Geschichten um den Wunschpunkt-Anarchisten mit Steckernase und feuerrotem Haarschopf: die Geschichten von Herrn Bello, dem Hund, der gerne ein "Mönsch" sein möchte oder die über den Schüler Lippel und seine Traum-Abenteuer. Dazu viele Gedichte und Theaterstücke. Und genauso die Romane, die Paul Maar gerne mit dem Wort "realistisch" umschreibt: "Kartoffelkäferzeiten" (1990) oder "Andere Kinder wohnen auch bei ihren Eltern" (1976). Beide inspiriert von der eigenen Biographie – von einer Kindheit im Krieg. Und beide von enormer Dringlichkeit, ebenso mit einem spürbar melancholischen Grundton.
Der Großvater und die Liebe zum Erzählen
Paul Maar erzählt, er habe eine Kindheit erlebt, in der er fast öfter im Luftschutzkeller gesessen habe als zu Hause am Tisch. "Deswegen ist dann meine zweite Mutter – meine Stiefmutter, meine erste ist gestorben – zurück gezogen aufs Land, auf ein fränkisches Dorf, zu ihren eigenen Eltern. Und ich hatte dort sehr liebevolle Stiefgroßeltern. Besonders mein Großvater, der auch ein begeisterter Geschichtenerzähler war, der hat mir sehr geholfen. Ich habe es mal gesagt: Er hat mir meinen innerlichen Kühlschrank aufgetaut."
Die Geschichte der Kindheit und Jugend – und über eine schwierige Vater-Sohn-Beziehung – hat Paul Maar vor zwei Jahren auch für erwachsene Leser aufgeschrieben, im autobiographischen Roman "Wie alles kam". Wäre es nach dem Vater gegangen, hätte Paul Maar nie zur Literatur gefunden oder besser finden dürfen. Er hätte vielmehr das väterliche Bauunternehmen übernommen. Und der Kinder- und Jugendliteratur würde so vieles fehlen: Texte und ebenso Figuren.
Wege zur Kunst und zum Schreiben
Dass Paul Maar den Weg zur Kunst und schließlich zur Literatur einschlagen konnte, ist nicht zuletzt der Familie seiner Frau Nele zu verdanken, der Familie des Theatermachers Oskar Ballhaus. In ihr wurde Maar vielfach gefördert und entdeckte zugleich die Welt des Theaters, für die er bis heute immer wieder tätig ist. Und auch die eigenen Kinder animierten den zunächst angehenden Kunstlehrer, Geschichten zu erzählen.
Ein Bild in ihrem Kinderzimmer, so erinnert sich Paul Maar gerne, gab den Ausschlag: "Da war ein ganz dicker, kupferfarbener Kater abgebildet. Und irgendwann sagte meine Tochter, was ist denn das für eine Katze oder für ein Kater? Warum hast Du mir von dem noch nie eine Geschichte erzählt? Dann fing ich an und es entstand die Geschichte vom Kater Traugott, der Bürgermeister wurde." Das war der Auftakt für das Debüt, den Prosaband "Der tätowierte Hund" aus dem Jahr 1968.
Ein Sprachspieler und ein großer Humanist
Paul Maars Texte – ein kleines Gedicht wie auch ein umfangreicher Roman – zeugen zum einen von einer großen Liebe zum Spiel mit der Sprache. Dem Jaguar etwa setzt er – in einigen Gedichten – einen "Neinguar" entgegen, ebenso gibt es Gedichte über versteckte Wörter – etwa über Affen, die sich plötzlich im Wort Kaffee wiederfinden, ebenso in einer Waffel oder einer Giraffe.
Zum Wortspiel kommt gerne der Reim. Folgt man den Erinnerungen der Eltern des Schriftstellers, dann war die Liebe frühzeitig da: "Wenn meine Mutter gesagt hat: 'Jetzt setz dich endlich an den Tisch', dann hätte ich geantwortet: 'Ja, das Essen ist noch frisch' – und immer versucht, einen Reim zu finden."
Und etwas zweites ist wichtig: Im Zentrum des Schreibens von Paul Maar steht eine große Hoffnung. Mag eine Situation noch so bedrückend sein, man kann sie überwinden. Die Welt ist, selbst im Kleinen, immer auch veränderbar. Das erfahren Figuren wie Lippel oder Herr Taschenbier – und mit ihnen Paul Maars Leserinnen und Leser.
Der Schriftsteller ist auch ein großer Humanist. In einem seiner Gedichte blickt er voraus, in die Welt in hundert Jahren. Wie sie aussieht, weiß niemand, heißt es dort sinngemäß. Aber: "Eines kann man jetzt schon tun: / Man kann die Zukunft denken. / Und tut man dies, dann kann man sie / vielleicht zum Guten lenken."
- Zum Podcast: Eins zu eins. Der Talk - Paul Maar, Kinderbuchautor
Und immer weiter schreiben
Für sein literarisches Werk erhielt Paul Maar viele Auszeichnungen, darunter den Deutschen Jugendliteraturpreis, das Bundesverdienstkreuz und den Hans-Christian-Andersen-Preis, eine der weltweit wichtigsten Auszeichnungen in der Kinder- und Jugendliteratur. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt, das Sams gibt es zum Beispiel auch in einer arabischen Ausgabe. In einem Projekt mit befreundeten türkischen Musikern und der Capella Antiqua Bambergensis bringt Paul Maar gelegentlich seine Nacherzählungen der Geschichten von Nasreddin Hodscha auf die Bühne. Ein aus diesem besonderen Projekt entstandenes Hörbuch gibt es auch in einer türkischen Version.
Und noch immer ist die Freude am Erzählen ungetrübt, mit Blick auf die kleinen, aber ebenso auf die großen Leserinnen und Leser. Mit dem Prosaband "Ein Hund mit Flügeln" ist gerade ein zweites Buch für Erwachsene erschienen. Er enthält Erzählungen, unter anderem über Paare, die sich verlieren, ebenso Gedichte, Dialoge und auch einige Bilder – Paul Maar ist immer auch ein Illustrator seiner eigenen Texte. Er schreibe einfach gerne, sagt er. "Und man schreibt auch nicht einfach nur so schnell hin. Sondern man denkt lange nach, findet noch einen neuen Kniff, wie man das formulieren könnte – und ist am Ende doch zufrieden mit dem, was herauskam, auch wenn es ein bisschen länger gedauert hat."
Paul Maars Buch "Das Sams und die große Weihnachtssuche" ist im Oetinger-Verlag erschienen. Der Band "Ein Hund mit Flügeln. Erfundenes und Erlebtes" im S. Fischer Verlag.
Die Reihe "Lebenslinien" im BR-Fernsehen widmet Paul Maar eine ausführliche Dokumentation.
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