"Larissa hatte Streit mit ihrem Freund und ist deswegen eher mit ihm aus der Kneipe gegangen", erinnert sich Katrin Biber. An jenem Abend im September 2013 hat sie ihre jüngste Schwester das letzte Mal gesehen. Sie selbst war in bester Party-Laune und feierte ausgelassen mit ihren Freunden. Nur am Rande bekommt sie mit, dass Larissas Freund eifersüchtig ist und ihre Schwester deswegen frühzeitig mit ihm nach Hause geht.
Als sie am nächsten Morgen kein Lebenszeichen von ihrer Schwester bekommt, geht sie zur Polizei. Zwei Wochen später wird die Leiche im Fluss gefunden: Larissa, erst 21 Jahre alt, wurde von ihrem damaligen Freund erwürgt und dann in den Inn geworfen. Der Täter wurde zu 20 Jahren Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt.
Jahrelang macht sich die Schwester Vorwürfe
"Ich war die Letzte, die sie gesehen hat. Ich habe sie gehen lassen." Solche Gedanken kommen Katrin Biber immer wieder. Mit ihren vier Schwestern hatte sie ein sehr inniges Verhältnis. Sie gingen gemeinsam tanzen und verreisten miteinander. Obwohl sie nichts für das Unglück ihrer jüngsten Schwester kann, fühlt sie sich schuldig.
Während eine ihrer Schwestern ihr gegenüber aggressiv auftritt, spürt sie die Schuldvorwürfe der restlichen Familie eher indirekt. Lange hat sie das Thema Schuld im Gespräch mit ihrer Mutter vermieden. Im ersten Trauerjahr war ihr Selbsthass am schlimmsten, sagt sie. Dieses Gefühl versucht Katrin Biber oft mit Alkohol zu verdrängen, ernährt sich schlecht, wie sie es beschreibt. Erst Jahre später gelingt es ihr, offen über ihre Schuldgefühle zu reden.
"Heute bin ich mit mir im Reinen"
"Heute bin ich mit mir im Reinen", sagt Biber. "Ich weiß, ich war ihr immer eine gute große Schwester." Bis sie das mit Überzeugung sagen konnte, waren fast vier Jahre seit dem Unglück vergangen. Wichtig dabei war vor allem Hilfe von außen, Gespräche mit Freunden. Außerdem hat die ganze Familie gemeinsam eine Trauertherapie gemacht.
Und noch etwas hilft ihr bis heute: Bewegung. So kann sie Trauer und Wut über den Körper verarbeiten. Früher war sie nie die "Sportskanone", doch beim Laufen und bei Gymnastik hat sie sich wieder selbst spüren gelernt. Sie beendet ihr Studium der Geschichte und beginnt eine Ausbildung zur Fitness-Trainerin. Was ihr selbst aus dem "Tief" geholfen habe, das könne auch anderen helfen, meint sie.
"Seelensport": Hilfe durch Therapie und Bewegung
Mit dieser Motivation entwickelte sie ihr eigenes Trainingsprogramm für Trauernde, "Seelensport". Was sie antreibt, ist die Erinnerung an die Lebensfreude ihrer Schwester Larissa, die viel zu früh unschuldig sterben musste.