Momo ist jung. Gerade mal 19 Jahre alt. Schon seit er denken kann, arbeitet er auf seinen Traum hin: Er möchte Profi-Fußballer werden. Und dann soll es soweit sein, Hertha BSC möchte ihn in ihrem U23-Team. Aber seiner Familie ist das egal, was Momo mit seinem Leben vorhat. So beginnt die fünfteilige ARD-Serie "Asbest". Die Familie, angeführt von Onkel Ámar, sorgt dafür, dass Momo im Gefängnis landet. Ihm wird ein Raubüberfall untergejubelt.
Neun Jahre bekommt Momo, der mit vollem Namen Mohammed Kawal heißt. Hinter Gittern soll er die Drogengeschäfte des Onkels weiterführen. Denn Momo ist Teil eines Familienclans. Kriminalität, Revierkämpfe, Korruption. All das hört nicht da auf, wo die Freiheit juristisch eingeschränkt wird. Die Verstrickungen der Außenwelt reichen bis hinein in die Gefängniszelle. Authentisch führt Momo durch die Geschichte. Als Bindeglied zwischen rachsüchtigen Rivalen versucht er, kein Teil krimineller Machenschaften zu werden – und stößt dabei an seine Grenzen.
Toxische Familienstrukturen
Mit dem Titel "Asbest" wird nicht nur auf den Giftstoff hingewiesen, der lange in der Bauindustrie eingesetzt wurde. Er steht auch metaphorisch für die toxischen Strukturen in diesen Kreisen. Einmal wird direkt Bezug auf den Titel genommen, wenn Schauspieler Kida Khodr Ramadan als Kopf eines eigenen Familienclans und Co-Insasse Momos seinem Rivalen droht: "Weißt du, in dem Gefängnis, in den Wänden, da ist nur Gift. Asbest. Aber ich bin giftig, giftiger als Asbest. Deswegen warne ich dich zum letzten Mal." Ramadan spielt in der Serie den von allen nur genannten "Kurden" in einer Nebenrolle. Sein Hauptjob war es dieses Mal mit Asbest sein Serien-Debüt als Regisseur hinzulegen. Das erklärt auch, warum einem vieles in Asbest bekannt vorkommt.
Der kleine Bruder von 4 Blocks
Die Szenen aus dem Berliner Kiez, der harte Ton unter den impulsiven Charakteren, die gewaltvollen Aufnahmen aus dem Gefängnisalltag und die musikalische Begleitung, die ganz in klassischer Gangster-Manier aus dem Deutschrap-Genre stammt - "Asbest" wirkt wie der kleine Bruder einer anderen, preisgekrönten deutschen Gangster-Serie: "4 Blocks". In der Hauptrolle als Ali "Tony" Hamady wurde Ramadan berühmt, 2018 gewann er dafür den Deutschen Fernsehpreis als bester Schauspieler. In fünf Folgen hat er nun in einer eigenen Produktion eine Geschichte rund um Familienclans veröffentlicht. Dabei baut er auf Prominenz. David Kross, Detlev Buck, Jasmin Tabatabai, um nur einige Namen zu nennen. Mit dem Hauptdarsteller Xidir Alian wagte er einen Versuch. Xidir ist bereits als Rapper bekannt und schafft es jetzt in seiner Rolle als Momo das Publikum mit hinter verschlossene Türen zu nehmen.
Nur plumpe Stereotype?
Auf den ersten Blick wirkt es, als würde der Cast mit diversen Migrationshintergründen wieder vermeintlich "typische" Rollen besetzen. Dabei liegt der Versuch in "Asbest" darin, genau diese Stereotype aufzubrechen. Momo will gar kein Gangster sein. Er träumt von einem spießigen Leben. Haus, Frau, Karriere. Es sind nicht alle gleich. Asbest wagt einen Versuch, den unterschwelligen Rassismus in unserer Gesellschaft aufzudecken. Und zeigt, wie schwer es manchmal ist, sich von der eigenen Familie loszusagen. "Sag unserem Onkel, ich habe nichts mehr mit der Familie zu tun", ruft Momo im Gefängnis seinem Cousin Sharif zu, der ebenfalls inhaftiert ist. Dem ist das egal, er antwortet: "Familie ist Familie, habibi."
"Asbest" ist für Fans von Gangsterserien. Oder für die, die welche werden wollen. Alle Folgen sind ab sofort in der ARD-Mediathek verfügbar.
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