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Gustav Kuhn

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Tiroler Festspiele Erl: Die Ära Gustav Kuhn ist vorbei

Nach massiven Sex-Vorwürfen wegen sexueller Belästigung lässt Dirigent und Festival-Gründer Kuhn seit heute Nachmittag sein Amt ruhen. Der politische und mediale Druck wurde zu groß, sofortige Konsequenzen unausweichlich. Von Peter Jungblut

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Der Druck wurde zu groß, die Entscheidung fiel überraschend schnell: Festspielchef Gustav Kuhn lässt seit heute Nachmittag, zwei Tage nach dem Ende der diesjährigen Saison, sein Amt „ruhen“, wie die Verantwortlichen mitteilten. Ein Schuldeingeständnis sei damit ausdrücklich nicht verbunden. Damit zieht der 72-jährige Dirigent die vorläufigen Konsequenzen nach heftiger Kritik aus dem Kreis der Erler Mitwirkenden. Zunächst waren ihm anonym in Blogs selbstherrliches Verhalten und sexuelle Übergriffe vorgeworfen worden, inzwischen liegt ein offener Brief von fünf namentlich bekannten Frauen vor. Heute Nachmittag tagte um 13 Uhr der Stiftungsvorstand der Tiroler Festspiele Erl an einem „geheimen“ Ort in Wien.

Deutlicher Wink aus Wien

Dem dreiköpfigen Gremium gehören die Tiroler Kulturlandesrätin Beate Palfrader (ÖVP), der Sektionschef im Bundeskulturministerium Jürgen Meindl und Peter Haselsteiner an, der schwerreiche Hauptgeldgeber und Vertraute von Gustav Kuhn. Nachdem zwei betroffene Frauen im ORF-Fernsehen Interviews gegeben und Details von sexuellen Einschüchterungsversuchen genannt hatten, waren sofortige Schritte fast unvermeidlich. Grüne und SPÖ forderten bereits Kuhns Entlassung, dessen Vertrag eigentlich noch bis Herbst 2020 läuft. Jetzt heißt es, der Maestro „wolle weiteren Schaden von den Festspielen abwenden“. Offensichtlich hatte Kuhn nach der Wiener Krisen-Sitzung den deutlichen Wink erhalten, dass seine Ära vorbei ist.

Andreas Leisner springt ein

Er selbst weist nach wie vor alle Vorwürfe zurück und hat eine Solidaritätserklärung von rund 150 Musikern erhalten. Der Stiftungsvorstand begrüßte gleichwohl offiziell den Rückzug des Gründers der Tiroler Festspiele. Bis auf Weiteres soll sein bisheriger Stellvertreter Andreas Leisner das renommierte Festival leiten. Die im Raum stehenden Vorwürfe würden jedenfalls ernst genommen, so die Verantwortlichen, und jedem einzelnen davon werde entsprechend nachzugehen sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, eine Zeugin soll demnächst befragt werden. Kuhns Anwalt und Ex-Justizminister Michael Krüger beteuerte, sein Mandat habe „glaubwürdig“ jeden sexuellen Belästigungsversuch gegenüber den fraglichen fünf Frauen abgestritten. 

Wintersaison mit Kuhn fraglich

In der kommenden Wintersaison um die Jahreswende sollte Gustav Kuhn in Erl Puccinis „La Bohème“ und Bellinis „La Sonnambula“ dirigieren. Daran gibt es nun erhebliche Zweifel. Die Nachfolge-Suche wird nun wohl sehr beschleunigt stattfinden müssen, wobei unklar bleibt, ob Sponsor Peter Haselsteiner auch weiterhin so großzügig bleibt. Er hatte noch in den vergangenen Tagen Kuhns Neigung zu „Wein, Weib und Gesang“ gelobt und hält an seinem Duzfreund weiterhin fest.