Man sieht Isabelle Huppert, wie sie als Hauptdarstellerin in "Die Gewerkschafterin" telefoniert.
Bildrechte: Weltkino

Isabelle Huppert in "Die Gewerkschafterin"

Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Thriller: Isabelle Huppert wird als "Gewerkschafterin" bedroht

Eine unerschrockene Frau kämpft gegen einen vermeintlich übermächtigen Gegner: Der packende Thriller von Regisseur Jean-Paul Salomé basiert auf einer wahren Geschichte. Isabelle Huppert sorgt als "Gewerkschafterin" für Wirbel.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Das Label "Nach einer wahren Geschichte" erweist sich oft als billiges Buhlen um den emotionalen Extra-Kick. In diesem Fall ist die Tatsache, dass hier tatsächliche Geschehnisse illustriert werden, das stärkste Element, und der Film – so stellt sich heraus – selbst nur ein Teil der wahren Geschichte. Vor ein paar Wochen ist der Streit um das, was vor ungefähr zehn Jahren in Frankreich passiert ist, neu entbrannt: 54 Abgeordnete von La France Insoumise verlangten einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss – nachdem sie "La Syndicaliste" (Deutsch: "Die Gewerkschafterin") gesehen hatten. In einer Zeit, in der die französischen Gewerkschaften sich bekanntlich sowieso skrupellos ausgebootet fühlen – Stichwort Rentenreform – stellt der Film die Frage, wie skrupellos die französischen Mächtigen ihre Pläne durchsetzen – immer schon.

Wer steht wem im Wege?

Isabelle Huppert spielt Maureen Kearney als erstmal unerschütterliche Kämpferin für Arbeitnehmer und besonders Arbeitnehmerinnen in der französischen Nuklearwirtschaft. Kearney schlägt Alarm, weil Tausende Arbeitsplätze bedroht sind; aus zugespielten Unterlagen weiß sie, dass der Staatskonzern EDF dabei ist, französisches Atom-Know-how nach China zu verkaufen. Sie wird als Hysterikerin hingestellt und bedroht. Kleiner Einschub mit Wissen von heute: Es war so, am Ende gingen Tausende Arbeitsplätze verloren und die französische Atomkraft-Expertise nach China. Der Film will viel, sehr viel erzählen, auch die nicht aufgearbeitete Wirtschaftsaffäre.

Vortäuschung einer Straftat?

Im Dezember 2012 wird Maureen Kearney von ihrer Haushälterin im Keller ihres Hauses gefunden, gefesselt und vergewaltigt. Doch bald einigen sich die meist männlichen Ermittler und Politiker auf ein besonderes Narrativ: Kearney soll den Überfall fingiert haben. Sie wird wegen Vortäuschung einer Straftat angeklagt, und klassischer Thriller-Twist, hier so passiert – sie gesteht sogar.

Regisseur Jean-Paul Salomé inszeniert Isabelle Huppert als Hitchcock-Schönheit, Marnies kleine Schwester in den 2010er-Jahren. Makelloser und bewundernswert ins Licht gesetzter Porzellanteint, der knallige Lippenstift, dazu Ponyfransen und wuchtige Brillengestelle. Was geht hinter dieser fast maskenhaften Fassade vor? Ist diese Frau ein emotionales Wesen? Müsste ein echtes Opfer sich nicht anders verhalten? Müsste eine echte Täterin sich nicht anders verhalten? Und: Kann man sich selbst fesseln?

Was ist der wirkliche Skandal?

Ehemann, Tochter, Freunde sowie das Publikum – soweit es die wahre Geschichte nicht kennt – sind von solchen Fragen zunehmend verunsichert. Die reale Maureen Kearney gestand dem Nachrichtenmagazin "L'Obs", dass der Blick auf Hupperts Darstellung ihr erst ganz vor Augen geführt habe, was ihre Angehörigen damals durchgemacht hätten.

Als Polit-, Wirtschafts- und Psycho-Thriller ist "Die Gewerkschafterin" ruhig und relativ konventionell in schöne Bilder und französische Settings gesetzt, die Geschehnisse bieten eine perfekte Dramaturgie-Vorlage. Isabelle Huppert und ihrem Film-Ehemann Grégory Gadebois zuzusehen, ist eine Freude, der Kino-Abend spannend. Aber das einzig wirklich Herausragende an der Fiktion ist am Ende – das Dokumentarische daran. Wurde in Frankreich von hoher bis sehr hoher Stelle eine Vergewaltigung in Auftrag gegeben? Wer steuerte die frauenfeindlichen Ermittlungen? Wie weit geht das Risiko für Whistleblower? Und wird der Fall Maureen Kearney spät, aber doch noch, zur Staatsaffäre? Die wahre Geschichte ist noch nicht so weit. Wir sind extrem gespannt auf die Fortsetzung.

Verpassen war gestern, der BR Kultur-Newsletter ist heute: Einmal die Woche mit Kultur-Sendungen und -Podcasts, aktuellen Debatten und großen Kulturdokumentationen. Hier geht's zur Anmeldung!