Seit 2019 ist Susanne Breit-Keßler im Ruhestand. Langeweile lässt die ehemalige ständige Vertreterin des bayerischen Landesbischofs allerdings nicht aufkommen. Sie hat unter anderem den Vorsitz im Bayerischen Ethikrat inne und engagiert sich als Textilbotschafterin. Und wenn sie zwischendurch mal Zeit hat, denkt sie darüber nach, wie sie anderen eine Freude machen kann. Sie macht leidenschaftlich gerne Geschenke.
BR24: Viele sind gerade im Weihnachtseinkaufstress. Wie ist das bei Ihnen?
Susanne Breit-Keßler: Ich bin fast durch, habe fast alles. Einiges liegt noch im Schrank und muss noch eingepackt werden. Aber Stress ist das für mich nie, sondern nur eine große Freude.
BR24: Was freut Sie am Schenken?
Susanne Breit-Keßler: Das Wort Geschenk bedeutet „Präsent". Im Geschenk ist der Schenkende präsent. Er oder sie ist darin gegenwärtig. Man kann dem anderen eine Freude machen und ihm damit zeigen: Du bist für mich gegenwärtig, und ich bin für dich in dem Geschenk gegenwärtig.
Nach dem Schenken ist vor dem Schenken
BR24: Das heißt, unsere Kultur des Schenkens empfinden Sie nicht als Belastung?
Susanne Breit-Keßler: Ich empfinde sie absolut als Bereicherung, wenn man sich das ganze Jahr über Notizen über die Vorlieben, Hobbies oder kleine Wünsche der anderen macht. Die Vorbereitungen zum Weihnachtsfest beginnen nicht Anfang Dezember, sondern eigentlich gleich nach Weihnachten. Ich habe eine heimliche Liste in meinem Computer, und da ist alles drin, was die Leute gerne mögen. Das Schönste ist doch, wenn jemand auspackt und sagt: Oh, dass Du daran gedacht hast, hätte ich ja nie geglaubt. Sowas finde ich herrlich.
BR24: Mit welchem Geschenk ist Ihnen das gelungen?
Susanne Breit-Keßler: Zum Beispiel mit einem ganz speziellen Kissen, das jemandem hilft, besser zu sitzen. Oder ein einzelnes Glas, für jemanden, der Single ist und dann sagt: Wenn ich jetzt mal allein ein Glas Wein trinke, dann ist das besonders schön und stilvoll. Es ist nicht egal, wer ich bin und was ich bin. Jemand hat an mich gedacht und mein Leben ist kostbar.
Schenken muss kein Konsum sein
BR24: Warum leben wir diesen eigentlich religiösen Gedanken des Schenkens letztlich im Konsumverhalten aus?
Susanne Breit-Keßler: Es ist kein Konsum, wenn man sich Gedanken darüber macht, was dem anderen gut tut. Das kann durchaus auch immateriell sein. Gott schenkt ja auch keine Gegenstände, er wollte den Menschen nahe kommen, er wollte ihnen seine Gegenwart schenken, für sie da sein, und er ist dafür das Zarteste und Verletzlichste geworden, was man sein kann: ein kleines Kind. Das ist das größte Geschenk, das man sich überhaupt denken kann.
BR24: Apropos Kinder: Wenn Sie von immateriellen Geschenken reden, davon werden Kinder und Jugendliche aber weniger begeistert sein, oder?
Susanne Breit-Keßler: Ja, aber Geschenke müssen auch keine Unsummen kosten. Ich lag mal im Krankenhaus, da war eine junge alleinerziehende Frau, die sehr wenig Geld hatte. Sie hat mir erzählt, sie geht regelmäßig auf Flohmärkte und kauft Spielsachen für die Kinder sehr preiswert ein. Das hat etwas sehr Gegenständliches, aber da steckt noch sehr viel mehr dahinter: ihre ganze Liebe und die Zeit.
Manche komponieren ein Lied
BR24: Viele Erwachsene beschließen untereinander, wir schenken uns nichts, oft, damit das Schenken nicht zur Belastung wird. Was denken Sie über solche Entscheidungen?
Susanne Breit-Keßler: Die muss man natürlich respektieren. Aber ich finde, man nimmt sich da eine große Lebensfreude, weil es ja nicht darum geht, einfach etwas zu kaufen, das dann rumsteht. Es kann etwas besonders Liebevolles sein, was derjenige sich schon lange ersehnt hat, oder eine Winzigkeit. Es muss nicht teuer sein, sondern den Sinn des Weihnachtsfestes widerspiegeln.
BR24: Zum Beispiel auch, wenn man sich gegenseitig Zeit schenkt?
Susanne Breit-Keßler: Ja, und man kann diese noch konkreter füllen, indem man sagt: Ich schenke dir drei Stunden für einen Spaziergang. Oder wenn man ein Instrument spielt, kann man dem anderen etwas vorspielen. Ich habe Leute kennengelernt, die einem eine CD schenken mit einem selbst komponierten Lied. Natürlich kann man auch kochen, ein Brot backen oder einen Likör selber machen. Das sind einmalige Kostbarkeiten, die man nirgendwo kaufen kann.
BR24: Was lassen Sie sich selber gerne schenken?
Susanne Breit-Keßler: Sehr gerne Bücher und DVDs. Weil ich mir sehr gerne Spielfilme anschaue. Lieber zu Hause als im Kino, ehrlich gesagt. Das ist für mich das Allerschönste.
BR24: Vielen Dank und eine schöne Weihnachtszeit.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!