Katholische Kirche St. Barbara in Oberspitzenbach, eine fast leere Kirche in der Coronazeit mit Einwegmaske 24.12.2020
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Katholische Kirche St. Barbara in Oberspitzenbach, eine fast leere Kirche in der Coronazeit mit Einwegmaske 24.12.2020

    Studie: Religion spielte in Coronakrise kaum eine Rolle

    In der Pandemie hat sich Religion einer Befragung zufolge bei der Krisenbewältigung nur für einen kleineren Teil der Bevölkerung als hilfreich erwiesen. Familie und Wissenschaft – so die Studie – gaben stattdessen den meisten Menschen Halt.

    In der Pandemie hat sich Religion einer Befragung zufolge bei der Krisenbewältigung nur für einen kleineren Teil der Bevölkerung als hilfreich erwiesen. Rund ein Drittel der 4.363 bundesweit repräsentativ Befragten gab an, sich in der Corona-Krise verstärkt mit Fragen nach dem Sinn des Lebens beschäftigt zu haben. Wie weiter aus dem "Religionsmonitor 2023" der Bertelsmann-Stiftung hervorgeht, gaben den meisten Menschen in der Krise Familie und Wissenschaft Halt und Orientierung.

    Religion hielten nur 29 Prozent für hilfreich

    Unter den im Sommer 2022 Befragten war die Familie für 90 Prozent "eher hilfreich" oder "sehr hilfreich" für die Pandemie-Bewältigung. Rund 85 Prozent sagten das mit Blick auf die Wissenschaft, 81 Prozent zum Gesundheitssystem. Die Nachbarschaft wurde ebenfalls von 74 Prozent als hilfreich angesehen. Aber nur 48 Prozent schrieben dies der Politik und sogar nur 29 Prozent der Religion zu.

    Auch bei Kirchenmitgliedern ein ähnlicher Befund: Für jeden dritten Katholiken (34 Prozent) sowie Protestanten (32 Prozent) sei Religion bei der Krisenbewältigung hilfreich gewesen. Unter Muslimen war der Anteil mit 73 Prozent mehr als doppelt so groß.

    Prantl: Kirchen waren staatlicher als der Staat

    Der Publizist und frühere SZ-Journalist Heribert Prantl sieht unabhängig von der Studie die Rolle der Kirchen während der Pandemie als fragwürdig an. Schon früh warf er den Kirchen vor, sie seien "staatlicher als der Staat" gewesen. "Sie waren noch eifriger als die Politik. Sie haben bei diesem publizistisch-virologisch-politischen Verstärkerkreislauf mitgemacht", so Prantl in einem aktuellen BR-Interview. "Man hat nicht mal mehr im Freien gesungen." Zwar seien viele Gemeinden mit der Regeln kreativ umgegangen. Kirchen müssten in der Krise ein Ort der Zuflucht und des Gottvertrauens sein. Natürlich könne man mit Vertrauen allein keinen Virus bekämpfen. "Aber man muss Zuflucht sein und nicht ein Ort der Abschottung."

    Landesbischof: Kirche hat Mitglieder verloren

    Bayerns evangelischer Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm widerspricht der Kritik der Staatsfrömmigkeit. "Das sind Vorwürfe, die ich normalerweise nicht höre, ich werde normalerweise dafür kritisiert, dass ich zu deutlich rede und mich zu sehr in die Politik einmische." Er habe aber in diesem Fall "sehr genau reflektiert", was die richtige Position sei und was es bedeute, in diesem Fall, Verantwortung zu übernehmen.

    Schon früh habe er sich mit seinem Krisenstab Gedanken darüber gemacht, dass man doch Menschen nicht in den Krankenhäusern allein sterben lassen könne, dass man Menschen an diesem ersten Ostern auf dem Höhepunkt der Krise doch nicht ohne seelischen Beistand in Form von Gottesdiensten lassen konnte. Aber: Für ihn, so formuliert er es im Gespräch mit dem BR, sei es keine Option gewesen, den Pflegekräften die knappe Schutzkleidung wegzunehmen, um Gottesdienst feiern zu können.

    Dass die Kirche durch die Pandemie weitere Mitglieder verloren habe, räumt Bedford-Strohm ein und hegt dennoch die Hoffnung: Er erlebe in vielen Gemeinden eine Art Aufbruch nach den Pandemie-Jahren.

    • Zum Artikel: Sterbefälle und Austritte: Evangelische Kirche schrumpft

    Vor allem religiöse Menschen tanken Kraft im Glauben

    Im europäischen Ländervergleich - etwa Spanien, Frankreich oder Großbritannien - zeigten sich ähnliche Muster, hieß es in der Veröffentlichung vom Donnerstag. Religion gebe in der Krise vor allem den Menschen Kraft, die schon vor der Pandemie religiös waren.

    Als positives Ergebnis hält die Stiftung fest: Fast neun von zehn Personen in Deutschland zeigten sich zuversichtlich, auch diese Krise zu überstehen. Und drei Viertel gaben an, sich während der Pandemie mehr für andere engagiert zu haben. Religiöse Menschen seien in dieser Gruppe überproportional häufig vertreten. "Glaube ist also offenbar auch eine soziale Kraft", heißt es in der Studie. Beim Blick in die Zukunft wurde zudem deutlich, dass inzwischen noch vor Infektionskrankheiten und Pandemien zu den größten Sorgen der Menschen Krieg, globale Armut und der Klimawandel gehören.

    Der "Religionsmonitor 2023" war in Teilen schon im Dezember vorgestellt worden und hatte auch ergeben, dass die christlichen Kirchen angesichts anhaltend sinkender Mitgliederzahlen weiter an gesellschaftlicher Bedeutung eingebüßt haben.

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