Detail des Covers von "Street Cop"
Bildrechte: Art Spiegelman (Illustration) / S. Fischer

Detail des Covers von "Street Cop"

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"Street Cop": Unter Roboterpolizisten und Zombies als Haustieren

Robert Coovers Erzählung "Street Cop" ist derb, verrucht, unheimlich – und erlaubt einen Blick auf eine Welt, die nicht so fern der unseren ist. Der berühmte Comic-Autor und Zeichner Art Spiegelman ("Maus") hat diese Noir-Dystopie illustriert.

Roboterpolizisten und wildgewordene Drohnen rasen vorbei, wenige echte Menschen in Laborkitteln und Sportschuhen verlieren sich wie in Trance in virtuellen Welten, intergalaktische Privatflüge blockieren den Raumhafen, Eingeweide und Menschenreste sind zu Zombies zusammengewachsen, werden im futuristischen New York als Haustiere gehandelt. Und alles wird von "Elektra", einer Computerstimme, kommentiert und kommandiert. Es ist eine düstere, eine finstere Dystopie, die Robert Coover in "Street Cop" erschafft. Wir betreten eine Stadt der Technik, in der 3D-gedruckte Häuser einengen, dunkle Straßen Passanten durchrütteln, Stadtviertel sich ständig verschieben und jeder verloren erscheint.

"Nostalgie für die Gosse"

"Ich muss sagen: Dass Raum und Zeit ihre Koordinaten verlieren, war eine wirklich gute Inspiration für die Illustrationen", sagt Art Spiegelman im Dialog mit Robert Cover am Ende Buches. Spiegelman zeichnet jene ekelerregende Stadtwelt in bunten Farben und untermalt mit wenigen Illustrationen eine Geschichte – ins Deutsche übersetzt von Clemens Meyer –, in deren Mittelpunkt ein New Yorker Streifenpolizist steht.

"Die Bilder versuchen, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft so zusammenzuwerfen, wie es auch auf der Erzählebene geschieht", sagt Spiegelman. "Ich denke, darin spiegelt die Geschichte die Merkwürdigkeit unserer gegenwärtigen Realität mit ihrem Schleier der Nostalgie. (...) Es geht auch um eine ganz besondere Nostalgie: eine Nostalgie für die Gosse."

Der Street Cop stolpert als plumper Trottel durch Raum und Zeit

Derb, verrucht und unheimlich wird der Leser an der Seite des dicken Street Cops in die Dunkelheit dieser Gossen entführt: "Sein schwabbeliger Arsch hat sich über den Barhocker gestülpt, als wolle er ihn einsaugen." Das zwielichtige Milieu ist nur schwer zu ertragen. Am Horizont verlieren sich zwei Nackte, gefangen in ihren virtuellen Sexspielen.

Der Street Cop stolpert als plumper Trottel durch Raum und Zeit. Früher war er selbst ein Dealer, bis er aus Versehen Polizist wurde. Bemüht, Verdächtige aufzuspüren, verliert er sich stets im alten Teil der Stadt, "in der schäbigen Noir­Szene, in der er für seine Bedürfnisse und Unzulänglichkeiten nicht verurteilt wird".

Derbheit der Geschichte überschattet Gegenwartskritik

Als Vertreter der US-amerikanischen literarischen Avantgarde und des Postmodernismus verwendet der Autor in seinen experimentellen Werken häufig das Prinzip der Montage, durchzieht seine Romane mit Werbeslogans und Leuchtschriften, welche die Erzählung auf anderen Ebenen ergänzen. So auch in "Street Cop": "Dampf steigt aus Schächten, überzieht alles mit einem wabernden Grau, das nur von den flackernden Neonlichtern durchdrungen wird. TOO GOOD TO BE TRUE, leuchtet auf einem Schild – wenn es leuchtet."

Ein Labyrinth aus nebelfeuchten Straßen und krummen Gassen, schäbigen Absteigen und Stundenhotels, Striplokalen, vergammelten Imbissbuden und von Kippen übersäten Gehwegen. Ironisch erzählt das Werk von der Dunkelheit des Fortschritts und der Liebe des Street Cops zur weiblichen Stimme der künstlichen Intelligenz "Elektra", die ihn ununterbrochen digital begleitet. Die Derbheit der Geschichte überschattet dabei häufig die zynische Gegenwartskritik.

Schwer zu ertragen und dennoch lesenswert

"Das Schöne an 'Street Cop' ist, dass es nicht um einen bestimmten Zustand der Gegenwart geht", betont Art Spiegelman im Dialog mit dem Autor Robert Coover. "Die ganze Geschichte ist durchdrungen vom Jetzt: die Entmenschlichung, die Versuche der Leute, miteinander in Verbindung zu treten in einer Welt, in der das praktisch unmöglich scheint, die Technologien, die sich auf alles auswirken und unkontrollierbar werden, der Schurke und der Polizist, die ein und derselbe sind."

Es ist ein vielschichtiges Werk, in dem die Erzählebenen und die verborgenen Botschaften, genau wie die Gebäude jener Stadt, durcheinander gewirbelt und ineinander verschachtelt werden. "Street Cop" erlaubt einen drastischen und brutalen Blick auf eine Welt, die gar nicht so fern von der unseren ist. Eine schockierende Lektüre, die sich mit ihrem Grauen nur schwer ertragen lässt, und dennoch – oder gerade deswegen – lesenswert ist.

"Street Cop" von Robert Coover, illustriert von Art Spiegelman, übersetzt von Clemens Meyer, ist bei S. Fischer erschienen.

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