Vielleicht ist es ganz gut, dass die Crew der Enterprise noch nicht weiß, was ihr blüht. Denn in absehbarer Zeit wird ein Macho das Schiff übernehmen, der bei Gefahr eigentlich nur seine beiden besten Freunde um Rat fragen wird – seinen ersten Offizier mit den spitzen Ohren und den schlechtgelaunten Schiffsarzt – und der ansonsten alles anbaggern wird, was nicht bei drei in einer Jefferies-Röhre ist (der Ort in einem Raumschiff der Sternenflotte, der Bäumen zum Verstecken am nächsten kommt). Die Handlung von "Star Trek: Strange New Worlds", dem neuen Zugpferd im Seriengeschäft von Paramount, spielt ein paar Jahre vor den Geschehnissen der Originalserie aus den sechziger Jahren mit William Shatner als Captain Kirk. Dessen Vorgänger, Captain Christopher Pike, pflegt einen ganz anderen Stil.
Hauptdarsteller Anson Mount über seine Rolle
Hauptdarsteller Anson Mount hatte zum US-Start der Serie im Sommer einmal sinngemäß gesagt, dass er dem Kapitänsamt auf der Enterprise mehr Herz verleihen wollte. Ein paar Monate später geht er im BR-Interview etwas genauer darauf ein. "Jeder große Anführer wird Ihnen sagen, dass es nicht unbedingt ihr Job ist, Leuten zu sagen, was sie zu tun haben, sondern gut genug zuzuhören. Zu wissen, was die Crew gerade braucht, und ihr genau das anzubieten", sagt Mount.
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Während Mount sich mit den Autorinnen und Autoren der Serie über seine Rolle als Captain Pike unterhalten habe, sei klargeworden, dass dieser eine Küche in seinem Quartier an Bord brauchen würde, damit er für seine Crew kochen kann. "Denn so stellt er Einigkeit her – indem er alle an einen Tisch bringt." Das sei seine "Superpower": Seine Crew zu einem einzigen großen Gehirn machen – und: "die Demut zu besitzen, zu sagen: 'Ich habe keine Ahnung, was gerade die richtige Antwort ist, die beste Idee gewinnt – und los!'"
Anson Mount: "Wahre Männlichkeit ist nicht toxisch"
Ein männlicher Chef, der zuhört und eigene Fehler und Mängel eingesteht, nicht nur vor sich selbst, sondern vor versammelter Mannschaft! Das dürfte in vielen Büros dieser Welt tatsächlich noch immer nach Science-Fiction klingen. Viel hat die Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren über weiße Heteromänner diskutiert, die ihre Untergebenen aus Überforderung lieber herunterputzen, als Rat oder Hilfe anzunehmen. Welche positiven Eigenschaften bringt Captain Pike vor diesem Hintergrund mit, in Zeiten der Metoo-Bewegung und der Debatte um toxische Männlichkeit, also dem zerstörerischem Verhalten von Männern gegenüber sich selbst und anderen?
"Ich habe den Begriff 'toxische Männlichkeit' noch nie gemocht.", sagt Anson Mount dazu. "Denn wenn das Verhalten von jemandem toxisch ist, ist es keine wahre Männlichkeit. Wahrscheinlich geht es mehr darum, irgendeine Art Unsicherheit mit Prahlerei oder Machotum zu maskieren. Wahre Männlichkeit ist nicht toxisch. Und es ist schwieriger geworden, das zu erkennen – aus guten Gründen: Weil es so viel von diesem anderen Scheiß da draußen gibt." Ob er Männer verstehe, die sich öffentlich darüber beklagen, wie schwierig es heutzutage sei, ein Mann zu sein? "Nein, ich verstehe nicht, was die damit überhaupt meinen würden [lacht]. Wahrscheinlich würde ich erst einmal von ihnen wissen wollen, was es für sie überhaupt heißt, ein Mann zu sein."
Die Enterprise als Wohlfühlort
Witzig ist Captain Pike übrigens auch noch. Einmal sind Crewmitglieder tatsächlich zum Kochen im Quartier des Captains eingeladen. Kadettin Uhura trägt Gala-Uniform, weil Steuerfrau Ortegas sie vorher dazu aufgefordert hat - natürlich ein ritualisierter Scherz für Neulinge. Pikes neckisches Lachen, als er der armen Frau ganz leger in Kochschürze die Tür öffnet: Absolut entwaffnend. Kein Wunder, dass so viele Fans hin und weg sind. Die vielen Lorbeeren, die Anson Mount für seine Rolle schon bekommen hat, reicht er routiniert weiter an die Autorinnen und Autoren von "Star Trek: Strange New Worlds": Er lerne die Worte, die ihm gegeben werden, eben auswendig.
Zugegeben, die Serie wirkt, soweit man das nach drei Folgen beurteilen kann, wirklich gut geschrieben. Die Episoden erzählen in sich abgeschlossene Geschichten, lassen dem Publikum aber trotzdem Zeit, sich auf einzelne Charaktere einzulassen und etwas für diese zu empfinden. So entsteht ein heimeliges Familien-Lagerfeuergefühl.
Star Trek war schon immer politisch
Dass dieses alte Star-Trek-Rezept nach 56 Jahren immer noch funktioniert, liegt auch daran, dass es sich das Franchise schon immer zur Aufgabe gemacht hat, gesellschaftliche, soziale und politische Themen gut verdaulich und unterhaltsam aufzubereiten. Wie kann sich eine gespaltene Gesellschaft zusammenraufen? Wie überwindet man Ängste und findet Selbstvertrauen? Wohin führen Vorurteile und wie überwindet man sie? Gegen Ende des Interviews erklärt Anson Mount : "Das ist der Mechanismus von "Star Trek": Nicht der Planet der Woche, sondern die Idee der Woche."
"Star Trek: Strange New Worlds" läuft ab 08.12.2022 bei Paramount+.
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