In der bayerischen Kabarettszene ist die Stimmung derzeit offenbar sehr gereizt. Grund dafür: die Frage, ob Deutschland "schwere" Waffen an die Ukraine liefern soll oder nicht. Christian Springer (57, "Die Komiker", "Schlachthof") wirft seinen Kollegen Gerhard Polt (79) und dessen langjährigen Partnern Christoph (62) und Michael Well (63) in einem Offenen Brief, der dem BR vorliegt, ziemlich deutlich Feigheit vor, weil die sich gegen die Lieferung von Panzern und ähnlichen Waffen ausgesprochen hatten.
Polt hatte einen entsprechenden Aufruf, der von der Zeitschrift "Emma" veröffentlicht wurde, unterzeichnet. Dort hieß es wörtlich: "Die Lieferung großer Mengen schwerer Waffen könnte Deutschland selbst zur Kriegspartei machen. Und ein russischer Gegenschlag könnte so dann den Beistandsfall nach dem NATO-Vertrag und damit die unmittelbare Gefahr eines Weltkriegs auslösen."
Warnung vor nuklearer Eskalation
Weiter wurde auf den "Beginn einer weltweiten Rüstungsspirale mit katastrophalen Konsequenzen" verweisen und behauptet, für die Gefahr einer Eskalation zum atomaren Krieg trage nicht nur der Aggressor die Verantwortung, sondern auch "diejenigen, die ihm sehenden Auges ein Motiv zu einem gegebenenfalls verbrecherischen Handeln" lieferten.
Christian Springer teilt diese Sichtweise ausdrücklich nicht: "Die Eskalation, die Ihr verhindern wollt, hat längst begonnen", urteilt er in seiner Stellungnahme: "Jetzt noch von einer zu vermeidenden Eskalationsstufe zu sprechen, ist ein tragischer Irrtum. Kann es sein, dass es in manchen Friedensappellen gar nicht mehr um die Ukraine geht? Sondern nur um uns? Um unsere eigene Angst, bombardiert zu werden? Das ist verständlich. Aber dann sollte man es auch so schreiben: 'Wir haben die Hosen voll, lieber Olaf Scholz. Ärgere den Putin nicht.'"
"Fehlen von Panzerbeschuss ist kein Frieden"
Der russische Präsident habe den Atomwaffenverbotsvertrag erst unterzeichnet und dann gebrochen. Springer vermisst bei Polt und Kollegen einen Aufruf an die russischen Soldaten zur Deeskalation: "Niemand kann ernsthaft glauben, dass die Verweigerung von Waffenlieferungen eine Art Frieden bringt. Ich habe es in Syrien selbst erleben müssen. Die russische Armee hatte absichtlich unsere Hilfeleistungen bombardiert. Das sind Kriegsverbrechen." Wenn man Putin gewähren lassen, drohe "Terror": "Keine Justiz, keine freie Presse, keine freie Kunst, keine andere Meinung wird es dort geben, wenn sich die Ukraine Putin ausliefert. Das Fehlen von Panzerbeschuss ist KEIN Frieden!"
Mahatma Gandhi habe die Engländer einst gebeten, nicht gegen Hitler zu kämpfen. Das sei falsch gewesen, denn dem "Blutbad" des Zweiten Weltkriegs sei die Demokratie gefolgt. "Als Mensch und Künstler zu Waffenlieferungen Ja zu sagen, empfinde ich als große Last. Im Laufe des Lebens habe ich allerdings gelernt, dass der Verzicht auf Wehrhaftigkeit keine Friedensgarantie ist", so Springer.
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