Schwarzweißfoto von 1936: Sep Ruf -Villa in Grünwald
Bildrechte: Sep Ruf Gesellschaft: Architekturmuseum der TUM, Nachlass Familie Ruf, Gmund am Tegernsee/Castellina in Chianti Junkers:

Das von Sep Ruf erbaute, vom Abriss bedrohte Haus in der Hugo-Junkers-Straße 1 in Grünwald 1936

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So wird um den Erhalt der Sep-Ruf-Villa in München gestritten

Ein Häuser-Ensemble in Grünwald, einst erbaut vom Stararchitekten der Nachkriegszeit, Sep Ruf: Von den Häusern soll nun eines abgerissen und durch ein modernes Wohn- und Geschäftshaus ersetzt werden. Warum sich dagegen nun Protest regt.

In der Hugo-Junkers-Straße in Grünwald stehen zehn gleichförmige, durch eine Mauer miteinander verbundene Häuser aus den 1930er–Jahren – geplant vom Münchner Architekten Sep Ruf. Neun von ihnen stehen unter Denkmalschutz, eines nicht: Haus Nr. 1. Warum diesem einen Haus 1998 per Gerichtsbeschluss der Denkmalschutz-Status entzogen wurde, ist bis heute ein Rätsel.

Kampf um den Erhalt des Gesamtensembles

Das ungeschützte Haus soll nun einem Büro- und Wohnhaus weichen, die Bauverwaltung und eine Mehrheit der Gemeinderäte hielten eine Genehmigung zunächst für unproblematisch. Doch dann protestierten Grüne und FDP, inzwischen mit breiter Unterstützung von Anwohnern, Architekten und Denkmalschützern. Auch die "Sep Ruf-Gesellschaft" hat sich inzwischen eingeschaltet und kämpft um das vom Abriss bedrohte Haus. Denn mit dem Abriss und einem Neubau an der Stelle würde die Ansicht des gesamten Ensembles zerstört.

Frühe Bauten von Sep Ruf

Haus Nr. 1 wäre indes nicht das erste Gebäude des prominenten Nachkriegsarchitekten in Bayern, das abgerissen würde: Einige frühe Wohnhäuser des 1908 geborenen Münchner Architekten sind längst Neubauten gewichen, wie Irene Meissner von der Sep Ruf-Gesellschaft mitteilt. Das prominenteste darunter war, so Meissner, Rufs Erstlingswerk in München: das Wohnhaus für den Journalisten Karl Schwend in Bogenhausen. Das 1931 errichtete radikal moderne Haus, ein weißer Kubus mit Flachdach, habe aus der damaligen Münchner Architekturlandschaft singulär herausgestochen.

1933 brachen auch in Sachen Architektur andere Zeiten an. Die Nationalsozialisten genehmigten keine Flachdächer mehr. So konzipierte Ruf für die Grünwalder "Siedlung Herrenwies" – so nannte man das für leitende Angestellten der Junkers-Werke in Allach erbaute Ensemble – Satteldächer.

Steinern mit Satteldach statt licht mit Flachdach

Zwischen 1934 und 1936 entstanden an der Hugo-Junkers-Straße zehn steinerne quadratische Häuser mit Spitzdach und Fensterläden – hintereinander gestaffelt und verbunden durch eine Mauer: Wer die berühmten transparenten Bauten von Stararchitekt Sep Ruf kennt – lauter lichte, gläserne Flachbauten - der mag bei der Grünwalder Siedlung an der Autorschaft des berühmten Nachkriegsarchitekten zweifeln.

Derartige Zweifel instrumentalisierte zwischenzeitlich – laut dem Münchner Merkur – auch der zuständige Bauamtsleiter Stefan Rothörl bei den ersten Protesten gegen den Abriss von Haus Nr. 1 und mutmaßte, dass das Ensemble gar nicht von dem berühmten Nachkriegsarchitekten Ruf stamme. Doch diese Zweifel konnten inzwischen engagierte Anwohner und Denkmalschützer, die gegen den Abriss kämpfen, und die Sep Ruf-Gesellschaft entkräften.

Wie die SZ meldete, erhalten die Nachbarn und Denkmalschützer bei ihrem Protest gegen den Abriss des Sep-Ruf-Hauses in Grünwald jetzt auch Unterstützung von der Gemeinde: Bürgermeister Jan Neusiedl (CSU) wandte sich an das Münchner Landratsamt und bat darum, dass die Untere Bauaufsichtsbehörde eine Abrissuntersagung an die Eigentümerin ausspricht.

Sep Ruf, Stararchitekt der Nachkriegszeit

Von Sep Ruf stammen Architekturdenkmäler der Moderne, zu den noch heute Architekturstudentinnen und –studenten aus aller Welt pilgern: Das Kanzleramt in Bonn, die Neue Maxburg am Münchner Lenbachplatz, der zusammen mit Egon Eiermann entworfene Deutsche Pavillon der Weltausstellung in Brüssel. Der 1958 erbaute gläserne, leichte Pavillon wurde als Höhepunkt der Inszenierung von Transparenz in der Nachkriegsarchitektur gefeiert, als Ausdruck eines neuen demokratischen Deutschlands.

Bildrechte: dpa/picture alliance

Alles andere als eine NS-Trutzburg: Der Bonner Kanzlerbungalow von Sep Ruf

Schwerelose Bauten

Schon bei der Nürnberger Kunstakademie war es Ruf gelungen, seinen Bau scheinbar zum Schweben zu bringen, ihm durch Einsatz von Glas und Stahl alle Schwere zu nehmen. Mit dieser scheinbaren Entmaterialisierung der Gebäude realisierte er eine Bauweise, die sich betont von der Blut-und-Boden-Architektur der Nationalsozialisten mit ihrer einschüchternden Monumentalität und steinernen Schwere distanzierte. So avancierte Sep Ruf zu einem der bedeutendsten Architekten der bundesdeutschen Nachkriegszeit.

Doch nicht alle schätzten nach dem Zweiten Weltkrieg die neue Transparenz in der Architektur. Zu Sep Rufs prominentesten Kritikern gehört kein geringerer als Konrad Adenauer, der vom Kanzlerbungalow sagte: "Ich fürchte, der brennt nicht mal. Da kann kein Mensch drin wohnen. Ich weiß nicht, welcher Architekt den Bungalow gebaut hat, aber der verdient zehn Jahre."

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