Imposant steht der Neubau des Schweren Reiter mitten im Münchner Kreativquartier. Vorgelagert die bunten Container, in denen diverse Kreativbranchen Arbeitsstätten gefunden haben. Warm, aber auch grob wirken die metallisch-rostigen Spundwände, wie man sie zur Sicherung von Baugruben eher im Boden kennt, als, wie jetzt, hoch in die Höhe ragend. Eine herrschaftliche Fassadenhülle, die aber gerade nicht Statik ausstrahlen soll, sondern Dynamik: Das Material darf sich abnutzen, Spuren erhalten, sich verändern, sagt Geschäftsführerin Ingrid Kalka. Das Besondere sei, dass sich das Gebäude verändern könne, dass es etwas Sprödes und Raues habe , wie die Kunst und die Arbeit der Künstlerinnen eben auch.
Temporäre Ästhetik
Das Architekturbüro Mahlknecht Herrle hatte vor zwei Jahren von der Stadt München einen beinahe paradoxen Auftrag erhalten: Die Kopie eines bereits bestehenden Theaterraums – nämlich des alten Schwere Reiter, dessen Sanierung nicht rentabel gewesen wäre – in einer neuen Hülle.
Was den zentralen Aufführungsraum betrifft, ist das neue Gebäude solch eine Kopie, aber optimiert: verbesserte Technik, erweiterte sanitäre Anlagen, und es ist ein zweiter Veranstaltungsraum dazu gekommen, das Studio.
Foyer, Gänge, Büros wirken leicht und licht, das Silber der offengelegten Leitungs- und Lüftungsrohre setzt sich ab von den strahlend weißen Wänden. Die architektonisch wie inhaltliche Aussage dieses Ortes für die freie Szene: Offenheit und Austausch, Werkstatt und Vernetzung, Schutzraum für das freie Experimentieren. Denn Lust auf das Experiment und Risiko müssen, trotz möglicher Ansprüche an Repräsentanz, die mit dem Neubau verbunden sein könnten, weiterhin im Zentrum stehen.
Vom Rand ins Zentrum der Aufmerksamkeit
Seit seiner Gründung 2008, als der Spielort noch vor allem als kurios, weil abseits vom Zentrum wahrgenommen wurde, hat sich das Schwere Reiter inzwischen als Ort für das innovative Zusammenwirken von Tanz, Theater und Musik etabliert. Aktuell vertreten durch ein Kollektiv an Betreibern: die Tanztendenz München, das Pathos Theater und den scope – Spielraum für aktuelle Musik. Mit der Aufbesserung der Raumsituation soll nun auch die bildende Kunst stärker einbezogen werden, Residenzen und die internationale Vernetzung ausgebaut. Das Eröffnungsprogramm, beginnend an diesem Freitag und Samstag mit zahlreichen Kurzbeiträgen von Künstlerinnen und Künstlern, die dem Schwere Reiter lange verbunden sind, steht exemplarisch für die alte und neue Programmatik.
Tanz, Theater & Musik
Bessere Strukturen, Ausbau an Förderung, Professionalisierung. Die Entwicklung der freien Szene – wie sie sich auch an der Geschichte des Schwere Reiter ablesen lässt, blieb jedoch nie unbegleitet von kritischen oder alarmierten Stimmen. Kreativviertel als Gentrifizierungsmotoren, Einschränkung von Freiräumen, stromlinienförmige Kunst werden dann befürchtet. Natürlich ist der Schwere-Reiter-Neubau gerade nach Lockdown-Szenario und im Zuge knapper Kulturhaushalte erst einmal ein klares Bekenntnis der Stadt München zur Förderung und Erhaltung der freien Szene. Und doch gilt es achtsam zu bleiben: für das Experiment und die Freiheit der Kunst: "Es wird ja dann doch ganz gern die Kreativwirtschaft verwechselt mit Kunst", sagt Ingrid Kalka, die Geschäftsführerin Schwere Reiter, "ja, das ist für manche das Gleiche, also gar nicht negativ, wir wollen ja auch mit denen zusammenarbeiten und es klappt ja auch alles ganz gut, aber aus dieser Vermengung und Vermischung wird dann manchmal übersehen, dass die Kunst etwas anderes ist, auch etwas anderes im Sinn hat und einfach auch gar nicht mithalten kann allein aus finanziellen Gründen."
Schwere Reiter – stylishe Spielstätte für Münchens freie Szene
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