Unwetter mit Blitzen
Bildrechte: stock.adobe.com/Albert

Blitze, Unwetter und Stürme erklärten sich Menschen früher mit einem wütenden Gott, der die Menschen für fehlerhaftes Verhalten bestraft.

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Schauer-Ämter und Hundstage: Religiöse Rituale rund ums Wetter

Mit Bauernregeln und Wetterkerzen wurde schon vor hunderten Jahren versucht, das Wetter vorherzusagen und zu beeinflussen. Obwohl wir heute das Wetter besser verstehen, haben religiöse Wetter-Rituale überlebt - und gewinnen sogar neu an Relevanz.

Über dieses Thema berichtet: Theo.Logik am .

"April, April, der macht, was er will", der Altweibersommer und die Eisheiligen sind wohl die drei bekanntesten Bauernregeln. "Vor Nachtfrost du nicht sicher bist, bevor Sophie vorüber ist", lautet eine weitere Bauernregel. Und tatsächlich warten noch heute viele Landwirte und Hobbygärtner bis zum 15. Mai, dem Ende der Eisheiligen, mit der Aussaat. Denn erst nach Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und der kalten Sophie soll es keinen Nachtfrost mehr geben, der bereits ausgesäte Pflanzen wieder erfrieren lassen könnte. Sind solche Bauernregeln nur Aberglaube oder fußen sie auf naturwissenschaftlich nachprüfbaren Regeln?

Durch Anbetung das Wetter beeinflussen

Tatsächlich sind Religion, Glaube und das Wetter seit Jahrtausenden eng miteinander verknüpft, was man noch heute an religiösen Praktiken erkennt, weiß Michael Ritter vom Bayerischen Landesverband für Heimatpflege. Er kümmert sich dort um den Fachbereich Brauch, Tracht und Sprache. "Noch heute gibt es Bittgänge, Hagelprozessionen, das Wetterläuten, man zündet bei Unwetter schwarze Wetter- oder Schauerkerzen an und vergräbt Palmkätzchen zum Schutz vor Hagel." Ziel sei es, durch die Anrufung von Heiligen das Wetter zu beeinflussen, oder es wenigstens vorhersagen zu können.

So entstanden im Laufe der Zeit durch Wetterbeobachtungen zahlreiche Bauernregeln und Wetterkalender. Anders als heute waren die Menschen damals vom Wetter "existenziell abhängig", weiß Michael Ritter. Schließlich lebte ein Großteil der bayerischen Bevölkerung bis weit ins 20. Jahrhundert von der Landwirtschaft. "Das war ganz existenziell, beispielsweise im Hinblick auf die Aussaat und die Ernte", sagt Michael Ritter. "Man war darauf angewiesen, dass man die entsprechende Ernte dann auch im Sommer einfuhr, weil davon die Ernährung abhängig war", sagt Ritter. "Diese Abhängigkeiten, die kennen wir natürlich heute so nicht mehr. Man kann sich das, was man gerne zu essen hätte, im nächsten Supermarkt kaufen."

Fokussierung aufs Wetter beeinflusste auch die Sprache

Durch die enorme Abhängigkeit hätten die Menschen früher auch zweifellos mehr Respekt vor dem Wetter gehabt als heute, meint Ritter. Hinzu kam, dass sich Menschen in früheren Jahrhunderten bestimmte Wetterphänomene nicht erklären konnten und darin dann das Handeln Gottes oder einer anderen übernatürlichen Kraft sahen, etwa um die Menschen für Fehlverhalten zu bestrafen. "Je mehr die Menschen von Naturphänomenen abhängig waren, umso mehr haben sie versucht, diese Phänomene zu verstehen, zu deuten oder auch für sich in den Griff zu bekommen", sagt Michael Ritter.

Die Fokussierung aufs Wetter und auf Naturphänomene beeinflusste auch die Sprache der Menschen und noch im heutigen Sprachgebrauch finden sich Überbleibsel von damals. Der Begriff der "Hundstage" etwa kommt nicht daher, dass Hunde an heißen Sommertagen unter ihrem oft üppigen Fell besonders leiden, sondern stammt aus dem alten Ägypten und ist wahrscheinlich schon über 5.000 Jahre alt. "Hundstage heißen deswegen so, weil der sogenannte Hundsstern, also der Stern Sirius, zu einer bestimmten Jahreszeit am Horizont erschien", weiß Michael Ritter. Und zwar sei dies im alten Ägypten immer unmittelbar vor den periodisch auftretenden Nil-Überschwemmungen der Fall gewesen. Die Ägypter huldigten dem Stern Sirius. Sie waren überzeugt, dass das Erscheinen des Sterns die Überschwemmung verursachen würde.

Begriff der "Hundstage" geht auf Ägypter zurück

"Diese kultische Verehrung ist dann von den Römern und Griechen übernommen worden und hat bis heute Einfluss auf unsere Vorstellungswelt", sagt Ritter. Noch heute sprechen wir von "Hundstagen", obwohl nach über 5.000 Jahren das Auftauchen des Sterns und die Überschwemmung des Nils gar nicht mehr zeitgleich auftreten. "Der Sirius geht inzwischen deutlich später auf als damals", erklärt Ritter. Denn bei der Kalenderreform im 16. Jahrhundert sind einige Tage aus dem Kalender gestrichen worden, sodass die "Hundstage" heute rund einen Monat später stattfinden als noch vor 5.000 Jahren.

Bauernregeln basieren auf Erfahrungswissen

Tatsächlich gibt es auch Bauernregeln, die sich wissenschaftlich nachprüfen und belegen lassen. "Ist der Oktober warm und fein, kommt scharfer Winter hinterdrein", lautet eine Bauernregel und tatsächlich führen höhere Temperaturen und Trockenheit im Oktober zu Hochdruckwetter, das sich häufig über Monate hält. Der anschließende Luftdruckunterschied zwischen den Azoren und Island lässt dann mehr Polarluft und weniger milde Westwinde nach Europa strömen. Das führt dann oft zu einem kalten und frostigen Januar. "April, April, der macht, was er will", heißt es. Und tatsächlich ist der April derjenige Monat mit der wechselhaftesten Wetterlage. Grund dafür ist der große Temperaturunterschied zwischen Meer und Land.

April häufig wechselhaft, wegen des Temperaturunterschieds

Der Glaube, durch Anbetung das Wetter beeinflussen zu können, hält sich bis heute vor allem im ländlichen Raum. Menschen, die dort von der Landwirtschaft leben, sind nach wie vor vom Wetter abhängig. "Noch heute ist es bedeutsam, ob man eine reiche Ernte einfahren kann oder ob einem ein Hagelschauer oder ein anderes Unwetter die Ernte noch in den letzten Tagen verdirbt", sagt Michael Ritter vom Bayerischen Landesverband für Heimatpflege. "Es gibt nach wie vor in manchen katholischen Gemeinden Bayerns, Prozessionen, Umzüge und sogenannte Schauer-Ämter", weiß Ritter.

"Das Wort Schauer stammt vom Regenschauer, der durch die Messe verhindert werden soll", erklärt Ritter. Während der Regentanz in manchen Kulturen den Regen bringen soll, ist das Ziel des Schauer-Amtes, endlich die sonnigen Tage beginnen zu lassen. Gut möglich, so Heimatpfleger Michael Ritter, dass in Zeiten des Klimawandels und zunehmender Extremwetterlagen Glaubenspraktiken rund ums Wetter wieder stärker von den Menschen nachgefragt werden.

Besser um unseren Planeten kümmern

Durch den Klimawandel nehmen Extremwetterlagen zu, die zwar durch keine Bauernregel vorhergesagt werden können, aber durchaus vom Wetterbericht. "Als Wettermoderatorin hat man ja die dumme Aufgabe, dass man ganz oft von Hitze-Rekorden sprechen muss, von schlimmen Überflutungen oder langen Dürren. Und das ist manchmal so frustrierend, weil wir als Menschheit, als Gesellschaft, so schwer tun, irgendwie gute und wichtige Entscheidungen für unsere Lebensgrundlage zu treffen", sagt Kathrin Kolb aus der BR-Wetterredaktion. "Ich hoffe, dass wir uns ein bisschen besser um unseren Planeten kümmern."

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

Sie interessieren sich für Themen rund um Religion, Kirche, Spiritualität und ethische Fragestellungen? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Jeden Freitag die wichtigsten Meldungen der Woche direkt in Ihr Postfach. Hier geht's zur Anmeldung.