Putins Sprecher und Beauftragter für Digitalentwicklung
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Dmitri Peskow

    Russland will Isolation trotzen: "Wir bauen unsere eigene Insel"

    Putins Sprecher und Digital-Experte Dmitri Peskow sagt das "Ende der Globalisierung" voraus und will Russland in den kommenden zehn Jahren technisch unabhängig machen. "Unmögliche" Lösungen seien schon immer eine russische Spezialität gewesen.

    Für Putins Sprecher Dmitri Peskow ist die Sache klar: Das Ende der Globalisierung sei "praktisch garantiert", schreibt er in einem Meinungsbeitrag für das Wirtschaftsblatt RBC und meint damit wohl die zunehmende internationale Isolation Russlands, die von ihm kurzerhand umgedeutet wird: "Technologische Souveränität ist keine Isolation. Das ist eine starke Verhandlungsposition beim Aufbau von Allianzen mit anderen Ländern."

    "Wir haben die Raketen, die er braucht"

    Das Geld des Westens, vor allem den Dollar, will Russland angeblich nicht mehr haben. Devisen werden als "Bonbonpapier" geschmäht, weil sie wegen der Sanktionen kaum mehr eingesetzt werden können. Stattdessen schlägt Peskow die Rückkehr zum Tauschhandel vor: "Die Zukunft liegt daher natürlich im Spiegelgeschäft. Jemand hat den Prozessor, den wir brauchen, und wir haben die Raketen, die er braucht."

    Der Kreml-Insider regte sich darüber auf, dass zum Beispiel der Bezahldienst "Apple Pay" auf dem Smartphone nicht deaktiviert werden könne und der jeweils benutzte Messenger-Dienst von außen jederzeit abschaltbar sei: "Früher wurde das als Fantasie wahrgenommen, heute ist es Realität, ein Risiko und eine Bedrohung." Russland will sich demnach vollständig unabhängig machen von der ausländischen Netz-Wirtschaft – und ganz nebenbei dem eigenen Geheimdienst totale Kontrolle über die Kommunikation einräumen.

    Putin: "Werden keinen Zaun errichten"

    Allerdings beeilte sich Präsident Putin bei einem Auftritt vor jungen Unternehmern in St. Petersburg, den Verdacht zu zerstreuen, Russland wolle sich abschotten. Der "Eiserne Vorhang" des Kalten Krieges sei auch keineswegs die Schuld Moskaus gewesen: "Unsere Wirtschaft wird offen sein. Es ist unmöglich, ein Land wie Russland mit einem Zaun zu umgeben. Wir werden keinen solchen Zaun um uns herum errichten." Der Kreml werde sich nicht selbst schaden oder, wie ein russisches Sprichwort besagt, "zwei Mal auf dieselbe Harke treten".

    "Wir sind in kognitive Fallen getappt"

    Das Argument, Russlands Markt sei zu klein und das Land wirtschaftlich zu schwach, um in digitalen Angelegenheiten auf eigenen Beinen zu stehen, lässt Peskow nicht gelten: "Das ist der klassische Diskurs der liberalen Community. Aber ich persönlich bin in der Sowjetunion geboren und aufgewachsen, die es liebte, unmögliche Probleme zu lösen." Der "neue Kalte Krieg" erfordere ohnehin eine grundsätzliche "Veränderung der Wahrnehmung". Gemeint ist damit seinen Worten zufolge, dass die Russen sehr viel mehr unterscheiden müssten zwischen dem, was sie "wirklich brauchten" und dem, was ihnen von "Fremden aufgezwungen" werde: "Was für den einen geeignet ist, ist für den anderen völlig ungeeignet. Wir sind in eine Reihe kognitiver Fallen getappt."

    Demnach will es sich Russland in der Isolation möglichst "bequem" einrichten, Peskow spricht tatsächlich völlig ironiefrei von einer "Insel", einem Eiland der Seligen, auf dem die Insulaner nur noch dem eigenen Wohlergehen verpflichtet sind: "Was steht uns bevor? Technologische Unabhängigkeit ist die Verwirklichung eines Teils unseres Szenarios, in dem wir unsere eigene 'Insel' bauen, auf der wir das Sagen haben. Wir sind Erwachsene, wir treffen Entscheidungen, wir sind für sie verantwortlich. Das ist in den nächsten zehn Jahren für uns und auch für Länder wie die Vereinigten Staaten, China und möglicherweise für Indien das Wichtigste."

    Die "Ära der Startups" erklärt Peskow ebenfalls für beendet und setzt seine Hoffnung stattdessen auf "Ingenieur-Teams", womit er unausgesprochen wohl staatliche Entwickler meint, er nennt speziell die Förderung der Hochschulen.

    Geheimdienst will mithören und mitlesen

    Unterdessen wurde bekannt, wie sich der Kreml die digitale Kommunikation künftig vorstellt: Der Inlandsgeheimdienst FSB soll bei allen Netzbetreibern intern das Sagen haben, wenn es um die Überwachung von Gesprächen und Textnachrichten geht. Spezielle technische Maßnahmen sollen dafür sorgen, dass jedes Smartphone einem Nutzer zugeordnet werden kann. Anbieter, die sich weigern, sollen herbe bestraft werden.

    Der Informationshunger des Staatsapparats kennt keine Grenzen: Vor einigen Wochen sorgte der FSB für Schlagzeilen, weil er Zugriff auf den gesamten Taxi-Verkehr Moskaus haben wollte, einschließlich Bestellern und Fahrtrouten.

    Russland fühlt sich von Welthandelsorganisation "versklavt"

    In der kremltreuen Presse heißt es schon jubilierend, Russland "zerreiße das Netz unnötiger internationaler Vereinbarungen". Es sollten nur noch die Verträge eingehalten werden, die dem "nationalen Interesse" dienten: "Jetzt spricht Moskau offen über den Austritt aus vielen internationalen Organisationen, in denen Russlands Stimme nicht gehört wird und wo wir nicht die gleichen Positionen und Chancen wie die Unterstützer einer unipolaren Welt haben. Wir sprechen von der [Welthandelsorganisation] WTO und der [Weltgesundheitsorganisation] WHO, die die Registrierung unserer wirksamen Anti-Covid-Impfstoffe auf jeden Fall behindert haben, damit sie nicht in der Welt vertrieben werden."

    Russland sei von der WTO aus Wettbewerbsgründen gezwungen worden, im eigenen Land die Energiepreise zu erhöhen, um "faire" Preise zu gewährleisten. Es sei höchste Zeit, dass der Kreml umsteuere: "Schließlich haben wir uns auf Bedingungen eingelassen, von denen angenommen wird, dass sie uns versklaven, dass sie die Entwicklung unseres eigentlichen Wirtschaftssektors tatsächlich behindern. Und sehr bald kamen sie zu der Überzeugung, dass solche Strukturen nicht für die Entwicklung des Freihandels geschaffen wurden, sondern nur, um die Dominanz einer Gruppe entwickelter Länder, der Hauptnutznießer der weltweiten 'Nahrungsketten', aufrechtzuerhalten."

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