Kunst und Liebe sind als Thema und Erzählstoff ein ebenso schönes wie beliebtes Paar. Allerdings gibt es auch hier, wie überall im Beziehungswesen, düstere Seiten, besonders wenn es sich um den Zusammenstoß von Männerkunst und Frauenliebe handelt. Für diese geradezu klassische Glücks- und Unglückskollision besitzt Gerhard Falkner offenbar ein Faible, wie sich in seinem neuen Roman „Romeo oder Julia“ zeigt. Der Mann dichtet und gockelt, das Weib bewundert und gibt sich hin: So geht hier der Subtext, dessen Rumoren allenthalben deutlich zu vernehmen ist.
Schreiben - "gehobener Selbstmord"
Der Romanheld: natürlich ein Schriftsteller. Und als solcher versteht er sich auf das Schreiben von scharfen, oftmals galligen Sätzen.
"Obwohl ich Kurt heiße, bin ich Schriftsteller. Allerdings bin ich weit davon entfernt, mir auf diese Tatsache etwas einzubilden. Der Rausch, sich nach jahrelangen Tagen und Nächten endlich einem Text gegenüberzusehen, dauerte bei mir nur kurz. Danach ernüchterte sich das Schreiben zu einer Art von gehobenem Selbstmord." Gerhard Falkner in Romeo oder Julia
Glücklicherweise gibt es ab und zu Urlaub von der selbstmörderischen Schreibarbeit, zum Beispiel Reisen zu Lesungen, Kongressen und Festivals. Mit drei solchen Ausflügen errichtet Gerhard Falkner - nicht ganz ohne die Zutaten eigener Erfahrungen - das Handlungsgerüst seines Romans. Das heißt, wir dürfen seinem Helden Kurt Prinzhorn beim Durchstreifen fremder Städte, beim Bewohnen von Hotelzimmern, beim Hahnenkampf mit anderen Literaturmachos und selbstredend auch beim Trinken und Frauenanmachen zusehen. Die erste Station ist ein Schriftstellerkongress in Innsbruck, bei dem ihm eine Teilnehmerin besonders ins Auge fällt.
"Ihre blonden Haare wirkten wie eine griechische Goldschmiedearbeit. Nun bemerkte ich auch, was ich bisher nur geahnt hatte, daß sie einen wirklich guten Arsch hatte." Gerhard Falkner in Romeo oder Julia
Ungenierter Literaturmacho
Gerhard Falkner hält die Perspektive des ungenierten Literaturmachos so bedenken- und gnadenlos durch, dass sich daraus nur zwei Schlüsse ziehen lassen: Entweder er stimmt mit seinem Helden so sehr überein, dass es schon nicht mehr schön ist. Oder er hat die unerhörte Größe, den Zusammenprall von Männerliteratur und Frauenliebe in aller Schonungslosigkeit auf den phallokratischen Punkt zu bringen.
Gerhard Falkner: "Romeo oder Julia". Roman. Berlin Verlag, 270 Seiten, 22 Euro