Bildrechte: dpa

Peter Konwitschny

Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Regie-Star Konwitschny: "Tote Hose" an deutschen Bühnen

Ist in München und Hamburg tatsächlich auf den Opernbühnen nichts los? Regie-Altmeister Peter Konwitschny behauptet, in diesen und anderen Städten gebe es "keine Impulse, keine Widersprüche" - offenbar im Gegensatz zu Stuttgart. Von Peter Jungblut.

Über dieses Thema berichtet: LÖSCHEN Kultur am .

Um starke Worte war Starregisseur Peter Konwitschny (72) noch nie verlegen. Er hat Regie-Geschichte geschrieben, ist viel beschäftigt, war drei Mal "Regisseur des Jahres" und muss niemandem mehr etwas beweisen. Konwitschny feierte an der Hamburgischen Staatsoper über Jahre hinweg inzwischen legendär gewordene Erfolge, tourte als renommierter Gastregisseur kreuz und quer durch Deutschland und Europa, musste in Leipzig frustriert aufgeben und wurde in Dresden an der Semperoper 1999 für eine provokante "Csárdásfürstin" spektakulär ausgebuht. Ihm ist also keine Erfahrung mit Publikum und Intendanten fremd. Umso heftiger fällt sein aktuelles Urteil über den Zustand der deutschen Musiktheater aus:

In München ist tote Hose, und in Hamburg ist tote Hose. Tote Hose ist, was keine Impulse schafft, keine Widersprüche liefert. Der Widerspruch ist nun einmal das A und O des Lebens.

"Kein Klimbim, keine schönen Kostüme"

Konwitschny steht für politisch engagiertes Musiktheater in der Nachfolge von wegweisenden Regie-Titanen wie Bertolt Brecht und Ruth Berghaus. Das Berliner Ensemble gehörte zu seinen frühen Ausbildungsstätten. Er selbst wolle «keinen Klimbim, keine schönen Kostüme, schöne Tönchen» auf die Bühne bringen, sondern eine Botschaft vermitteln, sagte Konwitschny im Vorfeld der Premiere von Luigi Cherubinis "Medea", die er am kommenden Sonntag am Staatstheater Stuttgart herausbringt. Die Oper handelt von der titelgebenden antiken Gestalt Medea, die ihren Mann an eine Nebenbuhlerin verliert und daraufhin ihre beiden Kinder und die neue Partnerin des Mannes tötet.

Sympathien für Medea

Er selbst habe Sympathien für Medea, sagte Konwitschny, interessiere sich für ihre Botschaft, weil sie sich zur Wehr setze gegen Verrat, Ungerechtigkeit, Lieblosigkeit:

Es müsste eine Gesellschaft geschaffen werden, die in der Lage ist, solche großartigen Frauen zu integrieren, statt sie zu liquidieren.

Ein solche Welt sei aber leider derzeit unrealistisch. Zugleich bedauerte Konwitschny, dass junge Menschen die großen Tragödien immer weniger geistig durchdringen würden. Sie lernten mehr, sich zu verkaufen, als die Stücke zu analysieren. Ihm selbst kämen auch mit 72 Jahren immer noch viele Ideen für Inszenierungen, und zwar bei Spaziergängen im Wald. Er lese auch viel, gehe aber nicht mehr selbst in die Oper. Und auch in seinem Künstlerleben gebe es Tiefpunkte:

Die kommen so alle fünf Jahre bei mir. Das hing immer auch mit Trennungen zusammen.

Liebe wertvoller als Besitz

Starke Frauen haben Konwitschny von jeher fasziniert, er ist der Meinung, dass viele Weltprobleme auf typisch männliches Imponiergehabe und Mannbarkeitsriten zurückgehen. Darüber wurde er zum erklärten Pessimisten. In mehreren Interviews machte er deutlich, dass die Welt seiner Ansicht nach nicht mehr zu retten ist und erst nach einem größeren Zusammenbruch ein Neuanfang möglich sein wird. Zu seiner "Medea"-Inszenierung sagte er:

Ein Stück wie Medea sensibilisiert uns für unsere eigene Vergewaltigung, damit das Gute in uns blüht und nicht das Destruktive, damit uns das Leben, die Freundlichkeit, die Liebe wertvoller werden als Besitz, Betrug und Tötungswahn.

Premiere von "Medea" ist am 3. Dezember, weitere Aufführungen am 8. und 27. Dezember, sowie weitere Termine im Januar.