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"Public Art Munich" -Die Stadt als Raum für Performances

"Public Art Munich" -Die Stadt als Raum für Performances

Das "Public Art Munich" Festival zeigt in den nächsten drei Monaten Performances im öffentlichen Raum. Im Fokus: Momente eines historischen und sozialen Wandels. Es begann mit dem reenactment eines Fußballspiels. Von Christine Hamel

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Fußballweltmeisterschaft 1974. Die BRD tritt gegen die DDR an. Es ist das einzige deutsch-deutsche Duell der Fußballgeschichte. Wir gegen uns. Im BRD- Tor: Sepp Meier. In der 78. Minute schießt Jürgen Sparwasser das historische Tor der DDR. Bei dem Reenactment des Spiels im Münchener Olympiastadion zur Eröffnung der Public Art Munich 2018 stand der Künstler Massimo Furlan als Sepp Meier im Tor, der Schauspieler Franz Beil gab Jürgen Sparwasser. Die Zuschauer konnten zwischen den Original-Kommentatoren der BRD und der DDR wählen. Und wie Spieler und Torwart da ohne Ball liefen, angriffen, hielten, warfen und stürmten, und wie das Publikum applaudierte, aufstöhnte, jubelte und aufsprang, all das war ein magisch-authentischer, gültiger Moment, in dem man sich als Teil einer Geschichte und der Geschichte erleben konnte.

Reenactement mit Fußverletzung

Als Franz Beil sich dann tatsächlich den Fuß verletzte und ausscheiden musste und ein Flitzer, der auch nicht Teil des Reenactments war, über das Spielfeld lief, war die Grenze zwischen Wirklichkeit und Kunst aufgehoben. Eine Entgrenzung, die auch den Beginn der Entwicklung Massimo Furlans zum Künstler markiert.  

„Die Performance ist mit meiner Kindheit verbunden. Ich habe nie in einer echten Mannschaft Fußball gespielt. Immer nur allein in meinem Zimmer. Dabei wurde mein Zimmer zu einem Stadion und ich selbst zu einem großen Fußballspieler. Ich spielte Theater ohne es zu wissen. Durch Fantasie änderten sich die Dinge und ich wurde zu einem Weltstar, ich habe 100 Mal die Weltmeisterschaft gewonnen und war der beste Spieler der Italiener. Für mich war das eine Art, mich von der Welt zu isolieren und in eine andere Welt einzutreten, die mir besser gefiel." Massimo Furlan, Künstler

„Game Changers“ ist der Titel, den die Kuratorin Joana Warsza dem Public Art Munich Festival gegeben hat.

„Es geht mir um diese Momente ideologischen Wandels. Das war meine Idee, mit der ich mich München angenähert habe. Wir bespielen Orte der Münchener Räterepublik und das Olympiagelände, vor allem, als Auftakt des Festivals, das Olympiastadion, das für Optimismus, Toleranz und Offenheit steht. Eine Offenheit, die ja auch die Architektur vorgibt. All das gehört ja auch zu München.“ Joana Warsza, Kuratorin PAM

Public Art Munich zeigt zwanzig performative künstlerische Arbeiten, die ideologische, symbolische oder sozialpolitische Paradigmenwechsel und Wendepunkte in der Geschichte aufgreifen. Die Warschauer Künstlerin Aleksandra Wasilkowska hat beispielsweise der Ost-West-Friedenskirche im Olympia-Park eine neue Decke eingezogen und in einer Soundinstallation den Horizont für ein ausgesöhntes Miteinander zwischen Westen und Osten geöffnet.

Väterchen Timofei - ein Game-Changer

Die Kirche war von dem russischen Eremiten Timofei und seiner Frau Natascha – beide waren nach dem Krieg in München gestrandet - als Schwarzbau errichtet worden. Das Deckengewölbe hatte Timofei mit dem Alupapier von Schokoladenverpackungen ausgekleidet.

„Die Kirche war nach dem Krieg illegal gebaut worden. Und weil Natascha und Timofei hier ihren Ort hatten, wurde der Bau des Olympiastadions etwas weiter nach Norden verlegt. Timofei war sehr charismatisch, ein wirklicher Game-Changer und der wahre Gewinner der Olympischen Spiele 1972. 0.35 Es ist wunderbar, wie die offene Mehrheitsgesellschaft den selbstorganisierten Schwarzbau in ihr System integrieren konnte.“ Aleksandra Wasilkowska, Künstlerin

Kunst als Retterin und Verteidigerin von Lebenswelten gegen die Autonomieerklärungen der Wirtschaft und die Selbstbezüglichkeit der Politik – das kann München gut gebrauchen.