Eine mattsilbern schimmernde Vespa in Salbeigrün von 1945. Ein geflochtener Papierkorb eines namenlosen Handwerkers aus dem fränkischen Lichtenfels. Oder Teile einer original Jugendstil-Metro-Station von Hector Guimard aus Paris: Die Vielfalt der Neuen Sammlung kennt keine Grenzen.
1925 wurde die Sammlung zunächst als „Abteilung Gewerbekunst“ des Bayerischen Nationalmuseums an der Münchner Prinzregentenstraße gegründet, war jedoch von Anfang an sehr selbständig, inklusive eigenem Direktor. Die Idee: Zeitgenössisches sammeln, das, was gerade aktuell war. 120.000 Objekte sind so bis heute zusammengekommen. Die Ausstellung zum 100. Geburtstag zeigt symbolisch 100 Exponate – allerdings nicht vom Entstehungs- sondern vom Ankaufsjahr ausgehend, sagt Kurator Josef Straßer: "Wir werfen einen Blick auf die Sammlungsgeschichte, also was wurde in welchem Jahr gekauft und da hat man gesehen, dass die Auswahlmöglichkeiten gar nicht so groß waren unbedingt."
Das größte Designmuseum der Welt
Für die ersten Jahre konnte Josef Straßer noch aus dem Vollen schöpfen: Die Gründungsjahre fallen in die Zeit des Bauhauses, ein Stahlrohrsessel mit schwarzem Leder von Mies van der Rohe für die bahnbrechende Weißenhofsiedlung in Stuttgart kam bereits 1930 in die Sammlung. In den Folgejahren sah es schon anders aus: München war damals nicht gerade die Avantgardestadt des Designs. Ein mittelalterlich wirkender Kerzenleuchter aus dem 3. Reich, mit einem Mittelstück aus Bergkristall und Verzierungen aus Eichenblättern wurde der Neuen Sammlung oktroyiert: "Da wir das Museum für Kunsthandwerk sind, wurden uns als staatlichem Museum die konfiszierten Objekte übergeben, das gehört natürlich auch zur Geschichte." Um zu zeigen, dass dieser Leuchter kein gutes Design ist, liegt er in der Ausstellung gekippt auf seinem Podest.
Fernseh-Standgerät mit Rundfunk- und Phonoteil, Kuba Komet 1223 SL, 1957–1959, Werksentwurf, Kuba Tonmöbel und Apparatebau, Wolfenbüttel
Ansonsten aber lehrt die Ausstellung: gute Gestaltung gibt es überall, unter industriell hergestellten Alltagsgegenständen aus Kunststoff genauso wie bei mundgeblasenen Glasunikat. Beispielhaft dafür stehen 2 Stühle: Ein Inuit-Hocker aus Walfischknochen und Lederschnüren, die Füße wie mit kleinen Fellschühchen umwickelt, und direkt daneben ein 3D-gedruckter Kunststoffstuhl.
Insgesamt umfasst das Haus mehr als 20 Sammlungsgebiete: Möbel, Keramik, Glas, Graphikdesign, Computer, Fahrzeuge, Fotografie, Design aus der DDR oder auch japanisches Kunsthandwerk – in der Ausstellung vertreten durch eine Reihe irrwitzig geformter Pinsel.
Gutes Design kennt keine Grenzen
Selbstverständlich wurde von Anfang an international gesammelt: Ein früher iMac von 1998 ist hier genauso zu sehen wie eine Erstausgabe von Antoine de Saint-Exupérys "Der kleine Prinz" oder Kaminaufsätze aus England. "1925 ist schon der erste Direktor nach Paris gefahren und hat dort eingekauft, englische Stoffe zum Beispiel oder skandinavische Möbel."
Die Neue Sammlung ist heute das älteste und größte Designmuseum der Welt. Wichtiger als solche Superlative aber ist die Qualität der Objekte. Und von der kann sich jeder selbst ein Bild machen.
Die Ausstellung "100 Jahre - 100 Objekte" in der Neuen Sammlung in der Pinakothek der Moderne in München ist ab sofort und bis Mai 2027 zu sehen.
Eileen Grey: S-Chair, 1938, André-Joseph Roattino (zugeschr.), Vastellar, Frankreich
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