Tassing ist so bayerisch, wie ein Dorf nur sein kann. Auf der Weide grasen die Kühe, sonntags geht es in die Kirche und auf dem Marktplatz grantelt der örtliche Metzger vor sich hin. Tassing ist jedoch ein fiktiver Ort im 16. Jahrhundert und der Schauplatz von "Pentiment", einem Krimi-Adventure-Game, dessen ungewöhnlicher Look sofort ins Auge fällt.
- Zum Podcast: "Neues Computerspiel "Pentiment""
Ist Oberbayern Gaming-tauglich?
Die Grafik erinnert an Holzschnitt und mittelalterliche Buchmalerei und so fühlt sich das Spielen von "Pentiment" an, als würde man virtuell eines dieser alten, vergilbten Bücher durchschreiten, an denen Tonsur-tragende Mönche im Kloster-Skriptorium tagein, tagaus vor sich hingeschrieben haben. Hauptfigur ist Künstlergeselle Andreas.
Ein Computerspiel, das im mittelalterlichen Oberbayern angesiedelt ist und einen Maler zum Helden hat? Das ergebe absolut Sinn, meint Chefentwickler Josh Sawyer: "Bayern ist zunächst einmal sehr schön, insbesondere die Alpen. Und dann hat es auch erzählerische Vorteile, die Handlung in der Nähe des Brennerpasses spielen zu lassen. Denn ein solcher Ort ist zwar ländlich, aber trotzdem kommen hier verschiedene Kulturen zusammen. Hier reisen viele Leute entlang, es gibt eine Menge Handel und so kann man die unterschiedlichsten Charaktere vorkommen lassen. Bayern, Oberbayern, Innsbruck, der Brenner: Das ist das Beste aus beiden Welten. Ein Teil des Heiligen Römischen Reiches, das auf einer Route liegt, auf der viele Menschen unterwegs waren."
Hauptbeschäftigung im Spiel: Lesen
Josh Sawyer ist Historiker und mit der Geschichte Bayerns vertraut, zudem standen ihm drei Geschichtswissenschaftler zu Seite, die darüber wachten, dass es in "Pentiment" historisch korrekt zugeht. So werden die Dialoge in Originalschriften aus dem Spätmittelalter abgebildet. Das, was gebildete Mönche zu sagen haben, wird in geraden Buchstaben mit feingliedrigen Serifen angezeigt, die Sprechblasen von Bauern hingegen sind vollgepackt mit Krakelschrift und Schreibfehlern.
Das trägt zur Abwechslung bei und ist wichtig, denn in "Pentiment" muss man lesen, lesen, lesen. Daran muss man sich gewöhnen, auch weil das Spiel anfangs in etwa so aufregend ist wie ein Sonntagsspaziergang in Utting am Ammersee.
Dann aber wird Andreas Zeuge eines Mordes und es entspinnt sich ein Krimi à la "Der Name der Rose", der auch die Konflikte jener Zeit thematisiert, etwa die aufkommende Reformation, die Bauernkriege oder die Hexenverfolgung.
Microsoft stärkt mit Nischen-Games seinen Streamingdienst
"Pentiment" ist ein kleines, ungewöhnliches Spiel und eines, dessen Entwicklung von Microsoft bezahlt wurde. Der Grund: Es erscheint gleich zum Release exklusiv im Gamepass, dem Spiele-Abodienst von Microsoft, eine Art Netflix für Spiele, erklärt Sawyer: "Es ist ja doch ein eher seltsames und nischiges Spiel. Wenn jemand also sagt: Okay, das ist einfach nicht mein Ding, ich mag keine komplexen Geschichten, ich will nicht lesen, ich habe keine Ahnung, was das Heilige Römische Reich ist und es interessiert mich auch nicht, dann ist das in Ordnung. Aber dank des Gamepass können Leute dem Spiel auch einfach eine Chance geben und mal reinschnuppern."
Viel wird gerade darüber diskutiert, wie Abo-Dienste die Spielekultur verändern könnten und ob nicht die Gefahr besteht, dass Microsoft mit seinem Abo-Dienst die Konkurrenz an die Wand drängt. Vorerst aber versucht der Software-Gigant seinen Dienst mit kleinen feinen Nischenspielen wie "Pentiment" interessant zu machen. Das ist eine gute Nachricht.
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