Man sieht Mitglieder der Redaktion von "of Color" in Passau auf einem Kai am Inn.
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Mitglieder der Redaktion von "of Color" in Passau

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Passauer Studierende machen Magazin "Of Color"

Ein rassismuskritisches Magazin, aus dem längst viel mehr geworden ist: Seit drei Jahren gibt es in Passau die Initiative und das Magazin "Of Color". Es hat wichtige Diskussionen in Gang gesetzt.

Nachmittagsbetrieb im Studio 12, einem kleinen Kulturcafé mitten in Passau, an der Innpromenade. Viele Studentinnen und Studenten, ein bisschen Laufkundschaft – und hier liegt auch das Magazin "of Color" aus. Man kann es kaufen, für zwölf Euro pro Heft. Cafébesitzer Adrian Tadić unterstützt die Initiative: "Das Magazin ist einfach absolut cool. Es sieht gut aus, es fühlt sich gut an. Gerade auch die letzte Ausgabe ist ein Designobjekt. Daher ist es noch besser, dass der Inhalt so wichtig ist, indem es über Rassismus aufklärt und marginalisierten Menschen eine Bühne bietet." Menschen wie Pia Ihedioha, die die Initiative vor drei Jahren zusammen mit einer anderen Studentin gegründet hat. Inzwischen sind sie ein ehrenamtliches Redaktionsteam von neun Leuten und rund 30 weiteren Autoren.

Herzstück: ein dickes, hochwertig gemachtes Printmagazin. Dazu gibt es eine Webseite und Veranstaltungen wie Diskussionsrunden oder Konzerte. Der Titel "Of Color" ist an den anglo-amerikanischen Begriff "People of Color" angelehnt, erklärt Ihedioha: "Bi_PoC, Black Indigenous People of Color, also schwarze Menschen, also Menschen, die von antischwarzem Rassismus betroffen sind. Indigenous, also indigene Menschen. 'People of Color' ist ein bisschen schwierig zu übersetzen, aber ich würde es jetzt mal mit 'nicht-weiße Menschen' übersetzen. Es ist einfach ein Konstrukt, das Rassismus-Erfahrungen deutlich machen und greifbarer machen soll."

Magazin aus dem tiefsten Niederbayern

Alltagsrassismus erlebt die Tochter einer Deutschen und eines Nigerianers genauso wie viele andere, deren Aussehen nicht der weißen Mehrheitsnorm entspricht. Dabei gehört die Frage, aus welchem Land sie eigentlich kommt, noch zu den eher harmlosen: "Manchmal antworte ich im tiefsten Bairisch, manchmal ignoriere ich es einfach."

Die 24-jährige Lehramtsstudentin ist im niederbayerischen Dingolfing aufgewachsen. Als sie 2020 in Landshut an einer Demo anlässlich der Ermordung des Afroamerikaners George Floyd in den USA teilnahm, wollten die Veranstalter später die Redebeiträge der Demo veröffentlichen. Daraus ist dann viel mehr entstanden: 2021 das erste Magazin, 2022 das zweite – zum Thema Intersektionalität, also Mehrfach-Diskriminierung.

In Großstädten wie Berlin würde eine solche Initiative wahrscheinlich nicht mehr besonders auffallen, in Passau schon, sagt Pia Ihedioha: "In Berlin gibt es viele Initiativen und da passiert schon viel. Wir sind mit dem, dass wir aus dem tiefsten Niederbayern kommen, ein bisschen ein Einhorn manchmal. Ich glaube, es ist wichtig, dass überall was passiert und gerade auch hier muss noch mehr passieren, noch mehr Austausch stattfinden."

Schilderungen, wie sich Betroffene fühlen

Das Magazin "of Color" betreibt keine Kleinstadtkritik. Rassismus findet überall statt, auch unterschwellig, und auch bei denen, die sich gar nicht für Rassisten halten. Es können Blicke sein, Sätze, Fragen, die zu weit gehen. Das Magazin macht klar, wie Betroffene sich fühlen, auch in Form von Gedichten, kleinen szenischen Schilderungen. Das hat in Passau was in Gang gesetzt, bei denen, die "of Color" lesen.

Eine kleine Umfrage bei Studenten an den Bistrotischen vor dem Studio 12: "Es herrscht ganz viel Unwissenheit und ich finde es total wertvoll, sensibilisiert zu werden einfach für Themen, die vielleicht als weiße Person in Deutschland auch ein bisschen weiter weg sind." – "Ich glaube halt, dass viele diverse Stimmen, die man nicht grundsätzlich mitbekommen hätte, abgebildet werden." – "Man kann sich darüber unterhalten, mit Freunden eben und so, aber es ist noch mal was anderes, das öffentlich zu machen."

Aufklärung kommt bei "Of Color" erst an zweiter Stelle

Pia Ihedioha sagt: "Unser Ziel ist Empowerment, Repräsentation, also von uns und für uns. Es ist ein schöner Side-Effekt, wenn Leute sich auch dafür interessieren und sich weiterbilden möchten. Aber für uns steht Empowerment an allererster Stelle."

Das bringt trotzdem viel Außenwirkung, denn Magazin und Webseite sind keine trockene Sammlung politischer Abhandlungen, sondern auch grafisch und optisch wirkungsvoll gemacht.

Nächste Ziele: die dritte Magazinausgabe im November, zum Thema Generationen. Die Gründung einer gemeinnützigen Gesellschaft, um alles auch finanziell zu stemmen. Dazu Veranstaltungen im "Studio 12" von Adrian Tadić: "Wir hatten auch schon öfter über Musikformate geredet, wo wir schwarzen Künstlern, Bi_PoC-Künstlern sowie anders marginalisierten oder diskriminierten Künstlern eine Bühne geben. Das fände ich auch super, um Vielfalt mit reinzubringen. Ich selber habe einen Migrationshintergrund und freue mich immer, wenn auch meine Kultur und die meiner Freunde mit vertreten sind auf der Kulturbühne."

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