Der Papst, Lisa-Marie Presley, Jeff Beck, Maxi Jazz, Rosi Mittermaier: Die Meldungen zum Tod von Berühmtheiten treffen viele Menschen immer wieder sehr emotional. Vor allem, wenn man die Personen und ihr Leben jahrelang über die Medien begleitet hat. Aber warum macht ihr Tod uns so traurig, obwohl man sie nicht persönlich kannte?
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Parasoziale Beziehung und parasoziale Interaktion
Das Phänomen nennt sich in der Medienpsychologie parasoziale Beziehung bzw. parasoziale Interaktion. Das bedeutet: Wir haben eine einseitige Bindung zu einer Person im Fernsehen, im Internet oder einer Erzählung aufgebaut. Laut dem Medienpsychologen Prof. Dr. Frank Schwab von der Universität Würzburg, liegt das daran, dass Teile des Gehirns diese berühmten Persönlichkeiten mit uns nahestehenden Menschen verwechseln.
Auch deshalb hat man, wenn man einem Star auf der Straße begegnet, den Impuls, ihm oder ihr zuzuwinken oder zu grüßen. Das Gehirn denkt, die Person kenne uns auch, obwohl die Interaktion meist nur durch den Bildschirm stattfindet - ohne, dass die andere Person von uns weiß, oder jemals mit uns in Kontakt treten wird.
Bindung auch an fiktive Charaktere möglich
Meist bindet man sich an Stars aus Film und Fernsehen oder auch an Influencer im Internet. Doch das sei nur ein Teil der Staffelung, so Prof. Dr. Schwab. Die Bindung kann nämlich auch mit einer fiktiven Figur passieren. Zum Beispiel in Filmen: Als der Hauself Dobby in "Harry Potter" stirbt, löst das in Fans große Trauer aus, obwohl Dobby nicht existiert.
Auch Figuren aus Büchern oder aus Computerspielen können diesen Effekt haben. Diese Emotionen sind aber nicht so stark wie jene, die man für Berühmtheiten empfindet, die in der realen Welt leben. Intensiver sind die Gefühle eben bei realen bekannten Menschen wie zum Beispiel Seriencharakteren oder Nachrichtensprecherinnen und Nachrichtensprechern etc..Schaut man jeden Abend seit Jahren die Nachrichten, die von einem bestimmten Menschen moderiert werden, oder mehrere Staffeln einer Serie, fühlt man sich automatisch verbunden. Weil hier die tatsächliche Lebendigkeit der Akteure gegeben ist, fühlt sich die Trauer noch stärker an, als beim Beispiel des Hauselfen Dobby.
Menschliche Stars haben aber auch eine Vorbildfunktion. Und als Fans streben wir oft insgeheim danach, so zu sein wie unser Idol. Man stellt sich vielleicht vor, wie es wäre selbst auf der Bühne zu stehen und zu singen oder zu schauspielern, bei Konzerten fühlen wir mit. Stirbt dieser Mensch dann, trifft uns das umso tiefer.
Sonderfälle Papst Benedikt XVI. und Queen Elizabeth II.
Der Tod des ehemaligen Papst Benedikt XVI. stellt einen Sonderfall dieser Trauer dar. Neben der parasozialen Beziehung zu ihm, sei er für viele Menschen auch eine Art "Papa-Figur" gewesen, so Prof. Dr. Schwab. Das wecke in uns die angeborene Neigung eine Familienbeziehung aufzubauen. Laut dem Medienpsychologen sei der Papst eben "der Papa" von allen Katholiken und Vertreter des "Übervaters" auf der Erde. Eine Stufe über uns, größer als das Leben. Jemand, den man in dieser Form nicht in seinem direkten Umfeld hat, sondern ihn überhöht.
Auch der Tod von Queen Elizabeth II. ist eine Ausnahme. Die Idee der Monarchie sei, laut dem Medienpsychologen, dass es einen Regierungschef gebe, der sich "die Finger schmutzig macht", die Königin daneben bleibe vom Alltagsschmutz unbefleckt und stellt damit ein ideales Objekt der Anbetung und reinen Verehrung dar - und Menschen verehren eben gerne andere Menschen. Aber auch die Queen übernimmt, ähnlich zum Papst, eine Art Mutter-Rolle oder Chefin der Kirche. Und diese kirchliche bzw. religiöse Trauer lässt sich leicht auf die Trauer für Superstars übertragen.
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Religion und Popkultur: Kein großer Unterschied
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint: Religion und Popkultur dürften ruhig miteinander verglichen werden, auch wenn es dazu noch keine Belege gebe, so Prof. Dr. Schwab. Früher bot die Kirche für Menschen ein großes "Unterhaltungsangebot" - was sich alleine an den prunkvollen Räumlichkeiten erkennen lässt: bunte Lichter, Farben, Bilder, Skulpturen, Kostüme, Gesang.
Der Unterschied, zum Beispiel zur bunten Disney-Welt, oder einem großen Konzert, ist da nicht mehr groß. Denn auch bei Konzerten gibt es oftmals beeindruckende Kostüme, Lichter und Gesang. Auch wenn Studien dazu noch fehlen, ist beides - zumindest optisch - nicht so weit voneinander entfernt.
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