Papst Benedikt XVI. im Jahr 2011
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Papst Benedikt XVI. im Jahr 2011

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Nachruf: Der bayerische Papst - Benedikt XVI. ist gestorben

Der ehemalige Papst Benedikt XVI. ist tot. Das gab der Vatikan heute bekannt. Demnach starb der gebürtige Oberbayer Joseph Ratzinger im Alter von 95 Jahren.

Die katholische Welt trauert um den ehemaligen Papst Benedikt XVI. Der in Oberbayern geborene Joseph Ratzinger ist am Vormittag im Alter von 95 Jahren gestorben.

Ratzinger galt in Fachkreisen als Koryphäe der Theologie. In den Augen seiner Kritiker war der einstige Chef der Glaubenskongregation ein Hardliner. Bayerische Trachtenvereine sahen in ihm den Landsmann, und die bunten Blätter machten aus dem gebürtigen Oberbayer den Mann mit den roten Schuhen.

Joseph Ratzinger: Wollte nie Papst werden

An Fans hat es Papst Benedikt während seines achtjährigen Pontifikats nie gemangelt. Beim Weltjugendtag 2005 in Köln skandierten die jungen Leute "Benedetto". Auch ein Jahr später, beim Bayernbesuch, jubelten ihm Menschenmassen zu, obwohl er selbst nie im Rampenlicht stehen wollte, wie er nach seiner Papst-Wahl erzählte.

"Als langsam der Gang der Abstimmungen mich erkennen ließ, dass sozusagen das Fallbeil auf mich herabfallen würde, war mir ganz schwindlig zumute." Joseph Ratzinger über seine Wahl zum Papst

Er habe auf einen "ruhigen Ausklang seiner Tage" gehofft, bücherschreibend und zurückgezogen – so hatte sich Benedikt XVI. seinen Ruhestand vorgestellt. Nicht aber als Oberhaupt der rund 1,2 Milliarden Katholiken weltweit.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. kommt am Flughafen München zu seinem Flugzeug. Der emeritierte Papst reist nach seinem viertägigen Besuch in Regensburg wieder zurück in den Vatikan. Der frühere Papst war am 18.06.2020 überraschend in seine alte Heimat gereist, um seinen 96 Jahre alten Bruder zu besuchen.
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Papst Benedikt XVI.

Vom oberbayerischen Marktl in den Vatikan

Joseph Aloisius Ratzinger kommt am 16. April 1927 im bayerischen Marktl am Inn als drittes Kind eines Polizisten und einer früheren Köchin zur Welt. Da der Vater häufig versetzt wird, zieht die Familie oft um. Traunstein wird für den jungen Joseph die eigentliche Heimat seiner Kindheit.

Nach dem Krieg beginnt er sein Studium der Philosophie und Theologie in Freising und München. 1951 wird er zusammen mit seinem Bruder Georg im Freisinger Dom zum Priester geweiht. Schnell klettert er auf der akademischen Leiter nach oben: Mit 26 Jahren Doktor der Theologie, mit 30 Jahren Professor – der gebürtige Oberbayer sah sich mehr als Wissenschaftler, denn als Kirchenoberhaupt, das sich ins politische Weltgeschehen einmischt.

Mehr Theologie-Professor denn Kirchen-Politiker

Sicherheit auf dem politischen Parkett sehe anders aus, beschied ihm so mancher Kritiker. Zwar sprach Benedikt als erster Papst in der Geschichte im September 2011 vor dem deutschen Bundestag. Mehr Aufsehen erregte er aber durch eine andere Rede: 2006 beschrieb er das Verhältnis des Islam zur Gewalt in einem Vortrag an der Universität Regensburg mit den Worten eines byzantinischen Kaisers.

"Ich zitiere: 'Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat. Und da wirst du', so sagt er, 'nur Schlechtes und Inhumanes finden. Wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.'" Kritisiertes Zitat aus der Regensburger Rede

Der Aufschrei in der muslimisch-arabischen Welt folgte so prompt wie das Zurückrudern des Vatikans. Auch die jüdische Gemeinschaft stieß er vor den Kopf: durch die Wiedereinführung der Karfreitagsfürbitte - in der für die Rechtgläubigkeit der Juden gebetet wird - und die Rehabilitation des Holocaust-Leugners Richard Williamson.

Papst Benedikt: Vom Reformer zum Hardliner zum Zauderer

Im ökumenischen wie interreligiösen Dialog treffe Benedikt nicht immer den richtigen Ton, fanden seine Kritiker. Evangelische Christen fühlten sich durch ein theologisches Schreiben von 2007 herabgesetzt, weil sie darin nicht als "Kirchen im eigentlichen Sinn", sondern als "kirchliche Gemeinschaften" bezeichnet wurden. Beim Missbrauchsskandal wie auch in der Vatileaks-Affäre kritisierten viele seine Reaktionen als zu zögerlich.

Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil hatte Joseph Ratzinger eher dem Reformflügel der katholischen Kirche angehört. Als Präfekt der Glaubenskongregation verfestigte sich jedoch immer mehr sein Ruf als Hardliner; er wurde gern als "Panzerkardinal" bezeichnet.

Bis ins hohe Alter blieb Joseph Ratzinger seiner bayerischen Heimat und dem Brauchtum verbunden. So freute er sich über einen Besuch der Gebirgsschützen zu seinem 90. Geburtstag.

Papst-Rücktritt am Rosenmontag

Während seines Pontifikats hat Benedikt XVI. drei Enzykliken verfasst, darunter "Deus caritas est", und ein dreibändiges Werk über Jesus von Nazareth geschrieben. Er absolvierte 24 apostolische Reisen ins Ausland. Im Gedächtnis bleiben wird er aber durch etwas anderes: Am Rosenmontag 2013 überraschte das Kirchenoberhaupt mit seiner Rücktrittserklärung, die er vor den Kardinälen auf Latein verlas. Ein historisches Ereignis: Der erste Papst-Rücktritt seit 1294.

Am 28. Februar zog sich Benedikt XVI. zunächst nach Castel Gandolfo zurück und machte den Weg frei für das Konklave, aus dem Franziskus als neuer Papst hervorging. Seitdem lebte er zurückgezogen mit seinem langjährigen Sekretär Erzbischof Georg Gänswein in einem ehemaligen Kloster in den Vatikanischen Gärten.

Wortmeldungen zu innerkirchlichen Angelegenheiten

Immer wieder hat der ehemalige Pontifex betont, es gebe "nur einen Papst, und das ist Franziskus". Und doch hat sich Joseph Ratzinger immer wieder in innerkirchlichen Angelegenheiten zu Wort gemeldet. So schrieb er im April 2019 in einem Artikel für das Bayerische Klerusblatt zum Missbrauchsskandal in der Kirche, dass die 68er-Bewegung eine Mitschuld trüge: In den Jahren 1960 bis 1980 seien "die bisher geltenden Maßstäbe in Fragen der Sexualität vollkommen weggebrochen" - mit Folgen für die katholische Kirche, so Joseph Ratzinger. Auf die Tatsache, dass es sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in der katholischen Kirche schon lange vor dem genannten Zeitraum gab, ging er nicht ein.

In der Öffentlichkeit zeigte sich der emeritierte Papst in seinen letzten Lebensjahren nur noch selten. Allerdings kursierten regelmäßig Fotos in der Presse und sozialen Netzwerken, die das ehemalige Kirchenoberhaupt mit Einzelgästen und Delegationen zeigten. Im Juni 2020 kam Ratzinger überraschend nach Regensburg, um seinen Bruder Georg am Sterbebett zu besuchen. Bereits 2018 sprach er selbst davon, dass seine körperlichen Kräfte langsam schwänden und er sich innerlich "auf einer Pilgerfahrt nach Hause" befände.

Missbrauch holt Benedikt XVI. als Emeritus wieder ein

Anfang 2022, im Alter von 94 Jahren, holte den emeritierten Papst der Missbrauchsskandal nochmals mit voller Wucht ein. Für ein Missbrauchsgutachten der Erzdiözese München und Freising, die Ratzinger als Erzbischof von 1977-1982 leitete, hatte er eine 82-seitige Stellungnahme verfasst. Die für das Gutachten beauftragte Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) warf Benedikt bei der Veröffentlichung im Januar 2022 allerdings vor, gerade bei einem besonders schweren Fall von sexuellem Missbrauch nicht die Wahrheit gesagt zu haben.

Bei einer Sitzung im Jahre 1980, bei dem es um die Versetzung eines wegen Missbrauchs vorbestraften Priesters aus dem Bistum Essen nach München ging, sei Erzbischof Ratzinger nicht anwesend gewesen - so ist es in Benedikts Stellungnahme zu lesen. Nachdem die Anwälte von WSW dies mit Dokumenten widerlegen konnten, ruderte Benedikt zurück und verteidigte sich, der Fehler sei nicht absichtlich geschehen, sondern bei der Bearbeitung durch einen seiner Helfer. Trotzdem schrieb er in einer Stellungnahme zu dem Gutachten, er werde bald "vor den ewigen Richter" treten. Die Beschädigung seines Rufes konnte Benedikt allerdings bis zum Schluss nicht mehr rückgängig machen.

Papst Benedikt XVI.
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Papst Benedikt XVI.

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