Man wäre gern dabei gewesen, als der noch völlig unbekannte Otto Waalkes 1972 seinen Gitarrenkoffer vor dem Münchner Olympiastadion aufklappte und sich ein wenig Geld zusammenklampfte beim Publikum, das zu den Sommerspielen strömte. Just in diesem Jahr begann die Karriere des größten deutschen Alleinunterhalters, der gern in Verkennung seiner Kunst als „Blödelbarde“ tituliert wird, der sich selbst aber einen „notorischen Narren“ und einen „Volkskomiker wie Karl Valentin“ nennt.
Otto Waalkes: "Holladaridi, haha, ja – Otto! Ich habe irgendwann festgestellt, dass ich im Profil aussehe wie der klassische Hohensteiner Kasperpuppenkopf. Ob Kinder deswegen so bereitwillig über mich lachen?"
Wer in den achtziger Jahren ein Kind war, wird sich, wie der Autor dieser Zeilen, daran erinnern, wie er seine erste Otto-Kassette - die Hülle war crèmefarben - rauf und runter hörte und natürlich „Das Buch Otto“ erstand, um stundenlang darin zu blättern.
"Lachmann der Nation"
Aber es waren eben nicht nur Kinder, die Otto verehrten, es waren genauso deren Eltern, die er mit seiner „Mischung aus infantiler Anarchie und intellektueller Ironie“ begeisterte. Und zwar derart, dass er Hallen füllte, Bestseller schuf und 1985 als „Lachmann der Nation“ auf dem Cover eines Hamburger Nachrichtenmagazins landete.
Otto Waalkes: "Der Spiegel widmete mir eine Titelgeschichte: ‚Otto, der Zappelmann mit dem blonden Reetdach-Haar, dieser lustigste Veitstänzer aller Zeiten, wurde zum King of Comedy und die Deutschen ein Volk von Ottomanen.‘"
In West- wie Ostdeutschland. Darin war Otto seinem einstigen WG-Mitbewohner in der Hamburger "Villa Kunterbunt", Udo Lindenberg, verwandt, der den „Sonderzug nach Pankow“ nahm, und so schon vor 1989 weit mehr als ein bundesrepublikanisches Phänomen war. Die bis dato erfolgreichste deutsche Nachkriegskomödie war hier wie dort zu sehen.
Gesamtdeutsches Phänomen
Otto Waalkes: "OTTO – Der Film brach alle Besucherrekorde in Deutschland. Und das sogar in beiden Teilen. Denn mein Filmproduzent Horst Wendlandt, der selbst aus dem Osten kam, bestand darauf, dass der Film auch dort gezeigt werden sollte, und setzte sich gegen alle Bedenken der Behörden durch. Als der Film ungefähr ein Jahr später in die Kinos der DDR kam, sahen ihn noch einmal fünf Millionen Menschen. Nach Konzerten in Cottbus oder Zwickau erzählen mir ältere Fans immer noch von diesem Erlebnis und den Schwierigkeiten, überhaupt ein Ticket zu bekommen."
Das war nur möglich, weil Otto dezidiert unpolitischen Nonsens fabrizierte mit seinen Textern Robert Gernhardt, Pit Knorr und Bernd Eilert, frei nach dem Motto „liebe Autoren, ihr seid das Blatt, ich bin der Wind, der es hinausträgt in die Welt“ ...
Otto Waalkes: "... und wenn Nonsens überhaupt gegen etwas protestiert, dann gegen den üblicherweise gedankenlosen Sprachgebrauch und die geltende Grammatik. Den direkten politischen Protest überließ ich anderen."
In seiner unlängst auch als Hörbuch (bei Random House Audio) erschienenen, wunderbar klug-albernen Autobiographie „Kleinhirn an alle“ (Heyne) bezeichnet sich Waalkes, der ein begnadeter Parodist mit Gespür für das perfekte Timing ist, zu Recht als „Tonfallartist und Wortspieler“.
Sein "Schniedelwutz" schaffte es in den Duden
Nicht nur, dass es das von ihm geprägte Wort „Schniedelwutz“ in den Duden schaffte, nein, seine Witze waren und sind deshalb so gut, weil sie „etwas zum Weitererzählen“ waren. Wie etwa die Geschichte seines rasenden Reporters Harry Hirsch, der sich live aus Kassel meldet, von der documenta, und fortfährt: Wie er gerade feststelle, befände er sich gar nicht „auf der documenta“, sondern „auf der Gabriele“, aber er könne uns Zuschauern versichern, es sei „ein ganz herrliches Gefühl“.
Otto Waalkes: "Ein pfiffiger Triller, ein trockener Lippenfurz, ein knackiger Schnalzruf und zum Abschluss ein spezieller Kuckucksruf!"
Als Musiker, Märchenonkel und als unlängst mit einer Ausstellung geehrter Maler ist Waalkes ein umbildender Künstler, der seinen Worten zufolge „Coverversionen“ von Meisterwerken anfertigt.
Otto Waalkes: "Von Manet und Munch bis Hopper und Hockney ist kein Meisterwerk vor mir sicher ... Bekannte Vorbilder ottotypisch verfremdet durch den sparsamen Einsatz von Ottifanten, Flügelkappen und Ur-Faultieren."
Siebzig Jahr, kaum noch Haar, das ist Otto heute. Ein Berufsjugendlicher möchte er nicht gerne sein, schreibt er, „lieber Jugendlicher aus Berufung“. Er ist unser Mann „fürs Windschiefe“, nicht „fürs Tiefe“. Oder in seiner Formulierung: ...
Otto Waalkes: "„... ein Evergrins."