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Åsne Seierstad

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Norwegerin Åsne Seierstad erhält Leipziger Buchpreis

Norwegerin Åsne Seierstad erhält Leipziger Buchpreis

Für ihre beklemmende Psycho-Studie des Massenmörders Anders Breivik im Roman "Einer von uns" erhält die Journalistin und Autorin Åsne Seierstad den renommierten Leipziger Buchpreis für Europäische Verständigung. Er wird im März 2018 verliehen.

Über dieses Thema berichtet: LÖSCHEN Kultur am .

Im April sorgte die deutsche Ausgabe von Åsne Seierstads Buch für viel Aufsehen, hatte sie doch penibel genau das Leben von Andres Breivik nachgezeichnet und war dabei zum Ergebnis gekommen, dass es sich um einen Einzeltäter mit ganz besonderen persönlichen Problemen handelte, deren Ursachen in dessen Kinderheit lagen. Im Roman "Einer von uns" beschrieb Seiderstad die psychisch kranke Mutter von Breivik, die ihrem Sohn mehrfach den "Tod" wünschte. Die Erziehungsbehörde schritt nicht ein, obwohl Breivik schon als Kind Ratten quälte, als Jugendlicher die Nähe einer rechtspopulistischen Partei suchte und mit Graffiti-Sprayern herum zog.

Sie war in Afghanistan und Tschetschenien

Seiderstad, die als Auslandskorrespondentin für das norwegische Fernsehen NRK in Kriegsgebieten wie Afghanistan und Tschetschenien im Einsatz war, machte aus Breiviks Leben einen "true crime" Bestseller. Dort war alles über den Massenmörder nachzulesen, der 2011 auf der Insel Uttoya 77 Menschen erschossen hat: Sein Hang zu Computerspielen, seine Einsamkeit, seine wahnhafte Welt. Kritiker verwiesen darauf, dass Seiderstad ausdrücklich "keine Angst" vor einer Wiederholung des blutigen Anschlags habe und aus dem Umgang der Politik mit dem Ereignis ableite, dass Norwegen "zur alten Stärke" zurück gefunden habe. So vertraue sie der "Überlegenheit des norwegischen Staates und Rechtsstaates". Versagt habe die Polizei, nicht die Justiz. Ein Kritiker schrieb: "Das Schrecklichste an Seierstads fulminanter literarischer Reportage ist: Man beginnt als Leser mitunter selber zu glauben, dass Breivik im Sinne einer Vernunft handelte – wenngleich einer völlig verrückten."

"Gewaltiger Sog"

Die Stadt Leipzig begründete die Entscheidung der fünfköpfigen Jury mit dem Satz: "Entstanden ist ein dokumentarischer Roman, der erhellend auf der Grenze zwischen Bericht und Erzählung, zwischen Faktischem und Vorstellungskraft balanciert und einen gewaltigen Sog entwickelt." Der mit 20 000 Euro dotierte und seit 1994 vergebene Preis wird Åsne Seierstad anlässlich der Eröffnung der Leipziger Buchmesse am 14. März 2018 im Gewandhaus verliehen. Im vergangenen Jahr hatte der Franzose Mathias Énard den Preis für sein Buch «Kompass» bekommen.