Ein Kreuz im Starnberger See mit der Goldenen Aufschrift "Ludwig II. König von Bayern" erinnert an den Tod König Ludwigs an dieser Stelle.
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Ein Kreuz im Starnberger See erinnert an König Ludwig II., der an dieser Stelle am 13. Juni 1886 ums Leben gekommen ist.

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Neuschwanstein-Thriller: Starb der Kini auf der Flucht?

Um die letzten Tage König Ludwigs II. ranken sich viele Legenden. Der Füssener Autor Markus Richter hat für seinen neuen Roman dazu recherchiert. Er stieß auf ein bislang unbekanntes Dokument – und hat seine eigene These, wie der König ums Leben kam.

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Es ist düster auf dem Dachboden der Füssener Stadtapotheke. Der Boden knarzt, als Markus Richter die Treppen emporsteigt und sich seinen Weg sucht zwischen alten Möbeln, verstaubten Kisten und all den Dingen, die sich in langer Zeit auf dem Speicher angesammelt haben. Hier oben schlummerte über Jahrzehnte ein ganz besonderes Dokument in einer Kiste – der Augenzeugenbericht des Füssener Stadtapothekers Christian Singer zur Verhaftung König Ludwigs kurz vor dessen Tod auf dem Schloss Neuschwanstein.

Apotheker war bei Ludwigs Verhaftung dabei

Als Hoflieferant war Apotheker Singer am 10. Juni 1886 vor Ort, als eine Delegation aus München kam, um den per Gutachten für geisteskrank erklärten Monarchen auf seinem Traumschloss festzunehmen. Bei den Recherchen zu seinem neuen Neuschwanstein-Thriller "Königsherz" stieß Markus Richter, Autor und früherer Kastellan auf Schloss Neuschwanstein, auf diesen Bericht.

Erste Verhaftungskommission scheitert

Die 20 in sauberer, altdeutscher Schrift beschriebenen, vergilbten Blätter liefern dem Autor für seinen neuen Roman spannende Details dazu, wie die Verhaftung des Königs damals abgelaufen ist und wie die erste Kommission aus München bei der Aktion kläglich scheiterte. "Die waren so schlecht vorbereitet", sagt Richter. "Die dachten: 'Da fahren wir schnell hin nach Hohenschwangau, packen den verrückten König ein und bringen ihn weg – das war’s!' Aber da hatten sie sich getäuscht." Tatsächlich stießen die Kommissionsmitglieder auf heftigen Widerstand und wurden am Ende festgenommen.

Dilettantische Verhaftungsaktion

Aus dem Bericht des Füssener Apothekers geht laut Richter hervor, dass Ludwig ursprünglich nach seiner Verhaftung nach Schloss Linderhof gebracht werden sollte und die Verhaftungsaktion dilettantisch abgelaufen sein muss. Singer beschreibt unter anderem, wie sich zwei Kommissionsmitglieder aus Angst vor der eigenen Verhaftung unter dem Billardtisch im Schloss Hohenschwangau versteckten. Und er benennt genau, wer beteiligt war. "Das war eine hochoffizielle Kommission aus München: Der Minister Crailsheim – der Minister des Äußeren und des königlichen Hauses. Der Graf von Holnstein war dabei, hohe Beamte und eben auch Dr. Gudden, der das Gutachten erstellt hat, mit Ärzten und Pflegern", erzählt Richter.

40 Maß Bier und zehn Flaschen Champagner vor der Verhaftung

Neben dem Augenzeugenbericht des Apothekers hat Markus Richter viele andere Berichte zu der Verhaftung des Königs gelesen – offizielle wie inoffizielle. Er beschreibt die Abläufe so:

Die elf Kommissionsmitglieder treffen am 9. Juni in Hohenschwangau ein. Allerdings sind ihre Uniformen noch nicht da. So wollen die Herren nicht vor den König treten. Deshalb lassen sie sich zunächst üppig bekochen und trinken zu ihrem Mahl 40 Maß Bier und zehn Flaschen Champagner. Als die Kommission sich schließlich nach Mitternacht auf den Weg macht hoch zum Schloss Neuschwanstein, ist der König längst gewarnt. Feuerwehrleute und Gendarme stellen sich den Männern in den Weg und setzen die Kommission auf Befehl des Königs später fest. Die Mission wird zum Desaster.

"Es gab einen richtigen Aufstand"

"Die dachten, alle sind froh, dass sie jetzt kommen und den verrückten König einkassieren", erzählt Markus Richter. "Aber genau das Gegenteil war der Fall: Es gab einen richtigen Aufstand vor Ort." Der Füssener Apotheker Singer beschreibt die Abläufe in seinem Augenzeugenbericht sehr detailliert. "Das ist teilweise auch mit Dialogen hinterlegt, wer was gesagt hat", schwärmt Markus Richter.

Seiten zum Königstod fehlen im Bericht

Erst einer zweiten Kommission gelingt es zwei Tage nach der gescheiterten Verhaftung, den König aus Neuschwanstein mitzunehmen und nach Schloss Berg am Starnberger See zu bringen. Was sich dort dann abgespielt haben könnte, geht aus den Aufzeichnungen des Füssener Apothekers heute nicht mehr hervor. Zwei Seiten fehlen in dem 20-seitigen Bericht – ausgerechnet die Blätter, auf denen es um den Todestag des Königs gehen soll.

"Leute massiv eingeschüchtert nach Ludwigs Tod"

Warum genau diese Seiten verschwunden sind, kann Markus Richter nicht sagen. Aber er hat eine Vermutung: "Man hat die Leute nach Ludwigs tragischem Tod massiv eingeschüchtert", erzählt der Autor. "Wer sagte, der König wurde ermordet, musste mit Gefängnis rechnen." Richters Verdacht: Entweder der Apotheker selbst oder sein Nachfahre haben die entsprechenden Seiten entsorgt - aus Angst, in Schwierigkeiten zu geraten. "Da muss etwas ganz Deutliches dringestanden haben zum Tod von Ludwig", glaubt Richter. Was, bleibt im Verborgenen.

Zweifel an der offiziellen Version zum Tod Ludwigs II.

Um die genauen Umstände des Todes König Ludwigs II. nachvollziehen zu können, hat Markus Richter auch die vielen anderen, schon vorhandenen Augen- und Ohrenzeugenberichte rund um die Geschehnisse am Starnberger See akribisch ausgewertet. Wenn man diese Berichte übereinanderlegt, ergibt sich für ihn nur eine Möglichkeit, was sich dort am Abend des 13. Juni 1886 ereignet hat. "Die offizielle Version ist aufgrund der zahlreichen Indizien aus diesen Berichten so nicht haltbar", sagt Richter. "Ludwig II. hat sich meiner Meinung nach nicht selbst ertränkt und vorher noch Dr. Gudden umgebracht." Seine Theorie: "Das war ein Unglück. Ich denke, der König wollte fliehen und dabei ist das Unglück passiert."

Todesumstände bleiben ein Mysterium

Beweisen kann Markus Richter seine Theorie nicht. Das sei für ihn als Romanautor auch nicht das Ziel. In seinem Buch geht der König auf jeden Fall nicht freiwillig ins Wasser. Was genau sich am Ufer des Starnberger See in der verhängnisvollen Nacht des 13. Juni 1886 abgespielt hat, bleibt ein Mysterium.

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