Jede Menge verschiedene Blumen und Pflanzen am Wegesrand lassen die Pilger auf dem Hildegard-Weg die "Grünkraft" der Natur spüren.
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Jede Menge verschiedene Blumen und Pflanzen am Wegesrand lassen die Pilger auf dem Hildegard-Weg die "Grünkraft" der Natur spüren.

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Pilgern in Bayern: Der Hildegard-Weg durchs Wettersteinmassiv

Kein gewöhnlicher Pilgerweg: Der Hildegard-Pilgerweg durch die Gebirgswelt des Wettersteinmassivs zum Schachen hat es in sich, auf fast 1.000 Höhenmetern spüren die Pilger die "Grünkraft" der Natur – und ihre Muskeln.

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In Elmau geht es los. Bis zur Wettersteinalm zieht sich der Weg auf einem Forstweg. Normalerweise ist man als Wanderer froh, wenn man solche Strecken so schnell wie möglich hinter sich bringt. Heute, beim Pilgern, ist das anders. Es geht ruhig und mit Achtsamkeit voran. Jeder Schritt ist ein Schritt zu sich selbst.

Der Hildegard-Weg, den das katholische Kreisbildungswerk Garmisch-Partenkirchen ins Leben gerufen hat, ist kein gewöhnlicher Pilgerweg. Denn hier geht es nicht nur Schritt für Schritt voran, sondern auch Höhenmeter für Höhenmeter. Also kein Weg für Konditionsschwache. Fast 1.000 Höhenmeter sind hinauf zum Schachen zu bewältigen.

Die besondere Wirkung der Farbe Grün

Auch Hildegard von Bingen selbst, die Patin des Weges, war konditionsstark. Eine Benediktinerin, die schon im 12. Jahrhundert viel auf Reisen war. Zu Fuß, oft 30 Kilometer pro Tag, obwohl sie kränkelte und schon über 60 Jahre alt war. Auch im Geist war Hildegard von Bingen fit: eine Universalgelehrte, eine Dichterin, eine Musikerin und Mystikerin. Die Äbtissin stand auch in regem Austausch mit wichtigen Männern ihrer Zeit, mit dem Papst und mit Kaiser Friedrich Barbarossa. Heute ist sie vor allem als Kräuterexpertin bekannt.

Kräuter, Heilung, Natur: Wer wäre eine bessere Namensgeberin für diesen neuen Pilgerweg zum Thema Schöpfungsspiritualität und Artenvielfalt. Selbst gegangen ist Hildegard diesen Weg allerdings nie. Aber er hätte ihr wohl gefallen: die Bergblumen, das satte Grün der Wiesen.

"Die Farbe Grün, das ist auch medizinisch erwiesen, hat eine andere Wirkung als wenn ich auf eine graue Mauer schaue. Grün belebt und beruhigt, aber grün ist ja nur ein Teil, die ganze Natur, wie sie hier lebt und gedeiht, das ist einfach wunderbar." Angelika Winterer, Theologin

Bombastischer Ausblick

Viel gibt es zu bestaunen auf dem Weg zum Schachen, wo sich König Ludwig der Zweite ein Königshaus bauen ließ. Bombastische Felswände, Schnee, Zirben, Blumen.

Nach zweieinhalb Stunden ist der höchste Punkt erreicht. Angelika Winterer ist außer Atem, schweißgebadet, aber glücklich und sichtlich bewegt von diesem tollen Ausblick:

"Ich bin schon viel pilgern gewesen, auf dem Jakobsweg oder dem Jesus Trail von Nazareth bis zum See Genezareth und ich merke schon, wenn ich äußerlich viel in Bewegung bin, dann kommt auch innerlich bei mir viel in Bewegung. Das Pilgern ist für mich so ein Sinnbild für das Leben." Angelika Winterer

Die letzte halbe Stunde geht es mit Blick auf Schachenhaus und Wetterstein an den steilen Felswänden entlang, zum Alpengarten auf dem Schachen, wo Kräuter und Blumen aus der ganzen Welt angepflanzt sind. Seit über 100 Jahren wird der Garten vom Botanischen Garten München gehegt und gepflegt. Besonders schön blüht derzeit der blaue Himalaya-Mohn. Für Gärtner Thomas Heller ein wahres Paradies, um der Schöpfung zu huldigen: "Diese Flora und der Ausblick – ich glaube, einen schöneren Platz dafür gibt es nicht."

Heilpflanzen-Wirkung gerät in Vergessenheit

Auch hier wächst der gelbe Enzian, den schon Hildegard kannte und der heute zu Schnaps verarbeitet wird und bei Magenschmerzen helfen soll. Dabei ist nicht die Blüte das Entscheidende, sondern die Wurzel, lernen wir: "Die Leute haben viel von dem Wissen nicht mehr, welches Kraut man für die Linderung seiner Beschwerden hernehmen kann, das gerät mehr und mehr in Vergessenheit", sagt Thomas Heller.

Angelika Winterer war schon in Tibet, ist rund um den Kailash, den heiligen Berg im Himalaya gepilgert, war in Israel und am Jakobsweg unterwegs. Entschleunigung pur für die 48-jährige Theologin aus München. "Beim Pilgern ist man offen für eine spirituelle Erfahrung, man hat ein ganz anderes Tempo, man nimmt alles bewusster wahr und ist auf das Wesentliche und auf sich selbst zurückgeworfen", sagt Angelika Winterer.

Vielfalt und Schönheit der Schöpfung

Für den Hildegard-Weg braucht man einen Tag und gute Kondition. Abkürzungen gibt es nicht. Und auch keine Ablenkung. Hier taucht man mit allen Sinnen in die Vielfalt und die Schönheit der Schöpfung ein. Und am Ende des Weges ist man dann auch sichtlich er-schöpft.

Mehr zum Thema "Alles Gute kommt von oben" in der Sendung STATIONEN, am Mittwoch, 20.7.2022 um 19 Uhr im BR-Fernsehen und in der BR-Mediathek.

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